Francis Poulencs A-cappella-Chormusik

Klassik In den vergangenen Jahren hat unser Musikleben einen grandiosen Komponisten wiederentdeckt: den Franzosen Francis Poulenc (1899 bis 1963). Er war Mitglied der "Groupe des Six" in Paris und führender Vertreter des Neoklassizismus, aber sein Rang begründet sich nicht nur in genial verzerrten Stilkopien. Er besaß ein flammendes Verhältnis zur Melodik, er war witzig und ungemein vielseitig. Poulencs Tiefgang ist ungeschlagen.

Klassik In den vergangenen Jahren hat unser Musikleben einen grandiosen Komponisten wiederentdeckt: den Franzosen Francis Poulenc (1899 bis 1963). Er war Mitglied der "Groupe des Six" in Paris und führender Vertreter des Neoklassizismus, aber sein Rang begründet sich nicht nur in genial verzerrten Stilkopien. Er besaß ein flammendes Verhältnis zur Melodik, er war witzig und ungemein vielseitig. Poulencs Tiefgang ist ungeschlagen.

Gelegentlich ist von Poulencs "charmanter Vulgarität" die Rede, was den ästhetischen Kern seiner Musik nicht trifft. Poulenc war tatsächlich der letzte Melodiker - wer sich durch die Poulenc-Einspielungen der älteren und jüngeren Zeit hört, wird in dieser Erkenntnis heftig unterstützt. Zwar ist Poulencs Schreibe von unerhörter rhythmischer Finesse und klanglicher Giftigkeit, doch überwiegt die melodiöse Komponente.

Die späte Rückwendung des Komponisten zum Katholizismus zählt zu den wunderlichen Kapiteln der Musikgeschichte des 20. Jahrhundert. Wie kam es, dass dieser frivole, spitzzüngige, an Spott und Zynismus interessierter Pariser Dandy, der offen mit seiner Homosexualität kokettierte, plötzlich geistliche Musik komponierte, etwa eine Oper über Nonnen ("Dialogues des Carmélites") oder das "Stabat mater"von 1950? Nun, Poulenc war immer ein Chamäleon gewesen, in späten Jahren brach aber ein Staudamm.

Die Flut äußerte sich indes nicht in tönender Frömmelei, sondern in einer Vermählung von sozusagen schon früher getauften Elementarteilchen seiner Musik: Süße, Lakonie, giftige Farben, anspringende Rhythmik, sphärische Wirkungen. All dies vereint eine wunderbare neue CD des ebenso wunderbaren britischen Vokalensembles The Sixteen unter Harry Christophers, die für das Label Coro (Note 1) A-cappella-Chormusik Poulencs aufgenommen haben: die acht Motetten, das ergreifende "Ave verum corpus" und schließlich die strenge Messe in G.

The Sixteen singt mit lupenreiner Intonation und jenem melodischen Schwingen, das ein Kernmerkmal des großen Poulenc war, ist und bleibt. Wolfram Goertz

(RP)
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