Geschichte der Tierversuche Versuchsobjekt Labormaus

Düsseldorf (RP). Das Image der Maus ist nicht gerade gut. Nur wenige halten sie als Haustier. Die meisten Menschen sehen in ihr vielmehr den Schädling und Vorratsdieb, dem man erbarmungslos mit Fallen, Katzen und Giften nachstellen darf. Nicht umsonst stammt der Name "Maus" aus dem altindischen "Mush", das nicht anderes heißt als "stehlen". Tatsache ist aber auch: Ohne die winzigen Diebe wären die Bio-Wissenschaften, vor allem Medizin und Psychologie, nicht annähernd auf ihrem heutigen Stand.

 Forscher hoffen nach den Versuchen mit Mäusen auf einen Durchbruch bei Demenzkrankheiten.

Forscher hoffen nach den Versuchen mit Mäusen auf einen Durchbruch bei Demenzkrankheiten.

Foto: gms

Die Geschichte der Labormaus begann vor etwa 100 Jahren im amerikanischen Massachusetts, mit der Lehrerin Abbie Lathrop. Wegen Krankheit konnte sie ihren Beruf nicht mehr ausüben, also züchtete sie Mäuse, um sie als Haustiere zu verkaufen. Kein leichter Job, denn die Tiere erkrankten immer wieder an Hautkrebs.

Lathrop wandte sich mit ihrem Problem an Wissenschaftler, und man begann zu untersuchen, wie sich der Krebs bei den Tieren vererbte. Dabei stellt sich heraus, dass die Nager wie geschaffen zum Studium genetischer Abläufe sind. Denn sie zeigen einen schnellen Generationswechsel und neigen zu spontanen Mutationen. Sie entwickeln also immer wieder genetische Abweichungen, und aufgrund ihrer zügigen Fortpflanzung kann man schon bald sehen, wie sie vererbt werden. Ganz so wie bei der Fruchtfliege Drosophila, die ja in der Genetik schon länger bekannt ist.

Von der Wild- zur Labormaus

Nur dass eben die Maus dem Menschen viel ähnlicher ist: Mittlerweile ist bekannt, dass ihre Genome zu 99 Prozent identisch sind. Kein Wunder, dass Mäuse auch auf Umweltreize wie Arzneimittel, Gifte und Infekte ähnlich reagieren wie Menschen. Dadurch wurden sie in der Medizin zum beliebten Versuchsobjekt, wobei man sich allerdings schon der Inzucht bedienen musste, um aus der robusten Wildmaus die krankheitsanfällige Labormaus zu machen.

Bis heute wurden knapp 3000 Mäusesorten für Untersuchungen zu bestimmten Krankheiten gezüchtet. "Allein für die Diabetesforschung kann man heute auf 114 Variationen zurückgreifen", erklärt Mark Daly vom amerikanischen Whitehead Institute for Biomedical Research.

Auch psychisch ticken Maus und Mensch ähnlich. "Gerade bei fundamentalen psychischen Funktionen wie Hunger, Angst, Aggression, Schlaf und sexuellem Verlangen gibt es große Übereinstimmungen", erklärt Psychiater Laurence Tecott von der University of California. "In jedem von uns wirkt die innere Maus".

Viele Labormäuse sterben qualvoll

Schon berühmte Verhaltensforscher wie Pawlow und Skinner führten einen Großteil ihrer Versuche mit Mäusen durch. Und ein Test für Antidepressiva sieht heute noch so aus, dass man den Nager nach Verabreichen des Mittels oder eines Scheinmedikaments in einer Badewanne schwimmen lässt - und die Forscher messen dann, wie lange sein Überlebenswille ihn an der Oberfläche hält.

Dass solche und ähnliche Tests die Tierschützer auf den Plan rufen, liegt auf der Hand. Von den 2,4 Millionen eingesetzten Labortieren pro Jahr sind 1,4 Millionen Mäuse, viele von ihnen sterben qualvoll. Corina Gericke von der Vereinigung "Ärzte gegen Tierversuche" bezweifelt, dass sich ihr Opfer wirklich lohnt. Denn die Zeiten, als Alexander Fleming aus Mangel an Alternativen sein Penicillin an Mäusen ausprobieren musste, seien vorbei.

"Mittlerweile wurden zahllose Versuchsmethoden im Reagenzglas entwickelt, die ohne lebende Tiere auskommen", erklärt Gericke. Die brächten in weitaus kürzerer Zeit ähnlich hochwertige Ergebnisse, und seien außerdem deutlich billiger. Demgegenüber betont der Verband forschender Arzneimittelhersteller, dass Tierversuche immer noch unverzichtbar seien, "um schon vor der Anwendung eines Arzneimittels am Menschen eine fundierte Nutzen-Risiko-Abschätzung vornehmen zu können".

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