Rohstoffe auf dem Meeresboden Schatzkammer in der Tiefe

Leinfelden (RPO). Auf der Jagd nach Rohstoffen gerät der Meeresboden zunehmens ins Visier des Menschen. Dort lagern wertvolle Metalle im Überfluss - nur der Abbau ist ein kompliziertes und vor allem kostspieliges Unterfangen. Deutsche Wissenschaftler arbeiten an umweltfreundlichen Lösungen.

 Objekt der Begierde: Eine Manganknolle enthält wertvolle Metalle.

Objekt der Begierde: Eine Manganknolle enthält wertvolle Metalle.

Foto: BGR Hannover, ddp

Es ist stockfinster dort unten und holprig: Gäbe es Licht 5000 Meter unter der Oberfläche des Pazifiks, würde der Clarion-Clipperton-Gürtel zwischen Hawaii und der Westküste Mexikos aussehen wie eine alte Dorfstraße mit Kopfsteinpflaster. Diese submarine Holperpiste wird jedoch nicht durch bucklige Granitblöcke geformt, sondern durch wertvolle Rohstoffe: In Jahrmillionen sind auf dem weichen Sediment kartoffelgroße Manganknollen herangewachsen, die Metalle wie Mangan, Eisen, Nickel, Kupfer und Kobalt enthalten.

Vom Vorkommen solcher Knollen tief unter dem Meeresspiegel wissen Geologen und Meeresforscher schon seit Jahrzehnten. Wirtschaftlich genutzt wurden diese freilich bisher nie ­- zu teuer wäre es bisher gewesen, die Brocken auf hoher See aus der Tiefe emporzuholen und die enthaltenen Metalle nutzbar zu machen. In den 1970er Jahren hatten die großen Bergbaukonzerne jedoch bereits ihre Hand nach diesen Bodenschätzen ausgestreckt: Das damals größte deutsche Bergbauunternehmen Preussag erprobte 1978 eine in Kooperation mit Konzernen aus den USA, Japan und Kanada entwickelte Maschine für die Ernte von Manganknollen vom Grund des Pazifiks.

Die Knollen wurden von einer Raupe am Grund des Meers eingesammelt und über gigantische Pumpen nach oben befördert. Doch ein Einbruch der Rohstoffpreise auf dem Weltmarkt setzte dieser Entwicklung bald darauf ein jähes Ende. An Land gab es Lagerstätten für Rohstoffe, die billiger zu erschließen und auszubeuten waren.

Heute sind die Rohstoffpreise wieder nach oben geschnellt und dürften ­- trotz eines durch die Wirtschaftskrise bedingten Einbruchs ­- langfristig so hoch bleiben, dass sich ein Abbau von Manganknollen lohnen könnte. "Der Bedarf besteht nach wie vor, wenn auch derzeit abgeschwächt", erläutert Carsten Rühlemann, Spezialist für Marine Rohstofferkundung bei der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), in der Augustausgabe der Zeitschrift "bild der wissenschaft". Schließlich liegen zwischen der Erkundung eines Gebiets und dem Beginn des eigentlichen Abbaus bis zu 15 Jahre.

Etwa eine Billion Tonnen Manganknollen liegen auf dem Grund der Ozeane, schätzen Experten -­ etwa das Hundertfache dessen, was an vergleichbaren Rohstoffen an Land vermutet wird. Das Heben dieses gewaltigen Schatzes voranzutreiben, ist ein Ziel, das sich auch die BGR gesetzt hat: Im Frühjahr 2009 hat die Bundesanstalt die erste Konzeptstudie für einen modernen Kollektor ausgeschrieben.

Seit den ersten Versuchen 1978 hat sich nicht nur technisch viel getan. Auch im Umweltschutz sind schärfere Regeln zu beachten. So wurde damals das mit den Knollen nach oben beförderte Sediment einfach wieder zurück ins Meer gespült -­ eine Schlammwolke, die die Ökosysteme im Meer gefährden und beispielsweise Korallenriffe unter sich begraben kann. Moderne Kollektoren, wie sie jetzt auf den Grund des Meeres gesetzt werden sollen, müssten daher so arbeiten, dass möglichst wenig Material aufgewirbelt wird.

Ökologische Bedenken gibt es dennoch. "Dort, wo man die Knollen aberntet, wird der Lebensraum auf großer Fläche massiv gestört", befürchtet Sven Petersen, Geo-Wissenschaftler vom Meeresforschungsinstitut IFM-Geomar in Kiel, in "bild der wissenschaft". Doch gibt es Vorschriften, nach denen die Areale nicht vollständig abgeernet werden dürfen. So bestehe die Chance, dass die Ernteflächen von benachbarten, intakten Gebieten aus wieder besiedelt werden könnten.

Seit Mitte der 1990er Jahre wacht die zu den Vereinten Nationen gehörende International Seabed-Authority (ISA) in Kingston auf Jamaika über die Nutzung des Meeresbodens. Nach dem internationalen Seerechtsübereinkommen ist der Tiefseeboden ein "gemeinsames Erbe der Menschheit". Wer Bodenschätze vom Meeresgrund ernten möchte, muss daher bei der ISA eine entsprechende Lizenz erwerben. So hat die BGR für Deutschland im Clarion-Clipper-Gürtel auf 75 000 Quadratkilometern Abbaurechte gesichert ­- eine Fläche so groß wie Bayern.

Nicht nur die Manganknollen im Pazifik stehen im Interesse von Meeresforschern und den Konzernen, die mit Rohstoffen handeln, sondern auch sogenannter Erzschlamm. Er entsteht, wenn durch Klüfte und Risse im Meeresgrund Meerwasser zwei bis drei Kilometer in die Erdkruste dringt, sich in Magmakammern aufheizt und wieder nach oben ins Meer zurückströmt. Auf dieser Reise reißt das Wasser Mineralien mit sich, die sich an den heißen Quellen ablagern: Erzhügel und Seen aus Erzschlamm bilden sich, die Rohstoffe wie Silber, Kupfer, Gold, Germanium und Indium enthalten.

Auch hier gibt es bereits erste Techniken für den Abbau dieser wertvollen Schlämme. "Zum Einsatz wird ein Bohrer kommen, der die Erz- und Gesteinsklumpen zu einer semi-liquiden Suppe zermalmt. Die lässt sich dann zum Schiff pumpen", erklärt der Ozeanograph Johannes Post in "bild der wissenschaft". Der Bohrer sitzt dabei auf einem Roboter, der auf Stelzen über den zerklüfteten Meeresboden marschiert und die Erze gezielt aberntet und zerhackt. Posts Prognose: Bereits in einem Jahr könnte das kanadisch-australische Meeresbergbauunternehmen Nautilus Minerals mit dem Abbau beginnen. Bis die Schatzkammer unter der Meeresoberfläche geöffnet wird, ist es also nur noch eine Frage der Zeit.

(DDP)
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