Genom-Rekonstruktion Gletschermann Ötzi war mit Helicobacter pylori infiziert

Bozen/Hannover · Plagten Ötzi üble Magenschmerzen? Zumindest trug der Gletschermann einen Keim, der dafür gesorgt haben könnte, denn er war mit dem Magenkeim Helicobacter pylori infiziert. Das berichtet ein Forscherteam mit deutscher Beteiligung im Fachmagazin "Science".

Ötzi: Gletschermann war mit Magenkeim Helicobacter pylori infiziert
Foto: dpa, wst

Es sei sogar eine aggressive Variante des Bakteriums gewesen, das Magengeschwüre und Magenkrebs verursachen kann. Der gefundene Stamm ähnelt demnach überraschenderweise Varianten, die heute in Mittel- und Südasien kursieren. Die Besiedlungsgeschichte Europas sei wohl viel komplexer als bisher angenommen - oder Ötzi kein typischer Bewohner der Gegend, erläutern die Wissenschaftler.

Die etwa 5300 Jahre alte Gletschermumie war 1991 in den Ötztaler Alpen im Grenzgebiet von Italien und Österreich gefunden worden. Es sei ein technologischer Durchbruch, dass die Rekonstruktion eines so alten Magenkeim-Genoms überhaupt gelungen sei, sagt Sebastian Suerbaum von der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), der nicht an der Untersuchung beteiligt war. Die ältesten bisher bekannten Varianten von Helicobacter pylori stammen demnach aus den 1980er Jahren - das Bakterium wurde erst 1983 entdeckt.

"Es war sehr unwahrscheinlich, etwas zu finden, da Ötzis Magenschleimhaut nicht mehr vorhanden ist", betont auch der Paläopathologe Albert Zink von der Universität Wien, einer der Studienleiter. Die Forscher analysierten daher die Gesamt-DNA des Mageninhalts - und wurden fündig.

Heutzutage ist etwa die Hälfte aller Menschen mit Helicobacter pylori infiziert. Das Bakterium lebt in der Magenschleimhaut und begleitet den Menschen vermutlich schon seit mindestens 100.000 Jahren. Zehn Prozent der Infizierten entwickeln Probleme wie Magengeschwüre, -entzündungen oder -krebs. Ob der Erreger auch beim Gletschermann Magenbeschwerden verursachte, ließ sich nicht mehr ermitteln.

Ötzi lagert im Archäologischen Museum im italienischen Bozen. Mit ausgeklügelter Technik werden dort jene Umstände simuliert, unter denen die Mumie am 19. September 1991 von einem Wandererpaar aus Nürnberg entdeckt wurde. In Gletschereis verpackt hatte sich der Mann aus der Kupferzeit über Jahrtausende erhalten.

Seither arbeiten Scharen von Wissenschaftlern daran, Ötzi möglichst viele Informationen zu entlocken. Eine in der Schulter entdeckte Pfeilspitze aus Feuerstein machte klar, dass der Mann getötet wurde. Kurz zuvor hatte er unter anderem Fleisch von einem Ziegenbock gegessen. Man weiß auch, dass er Karies hatte und unter Stress und Borreliose litt. Augenfarbe, DNA und Blutgruppe sind bekannt - ebenso, dass der Gletschermann laktoseintolerant und tätowiert war.

(dpa)
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