Forderung mit Zulauf "Menschenrechte auch für Affen"

Düsseldorf · Die Forschung über Menschenaffen hat viele Ähnlichkeiten mit dem Menschen zutage gebracht. Derzeit gewinnt eine Initiative Zulauf, die den Tieren deshalb bestimmte Grundrechte einräumen will. Die Haltung in Zoos soll abgeschafft werden.

Bildband "Menschenaffen wie wir"
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Dieser Gedanke strapaziert unser Vorstellungsvermögen: Ein Anwalt klagt stellvertretend für Menschenaffen deren Recht auf Leben, Freiheit und körperliche Unversehrtheit ein. Er tut dies mit einem prinzipiell ähnlichen Selbstverständnis, das auch seine Kollegen verwenden, die Menschen vertreten, die nicht sprechen können oder ihr Bewusstsein verloren haben. Als Sachwalter ihrer Angelegenheiten.

Colin Goldner von der Initiative "Great Ape Project" ist einer der Vorreiter dieser Forderung. Weil Menschenaffen in vielen Punkten dem Menschen ähnlich seien, sollten auch für sie bestimmte Grundrechte gelten.

Unsere nächsten Verwandten sollten als solche respektiert werden, sagte der 59-Jährige aus Regensburg der aktuellen Ausgabe von "National Geographic Deutschland". Und stellt einen Vergleich an mit unserem Umgang mit den Tieren beispielsweise in Zoos oder Fernsehsendungen wie der ZDF-Serie mit dem Schimpansen "Charly" und den bis in die 1940er Jahre üblichen, entwürdigenden "Völkerschauen" bei denen Eskimos, Buschmänner, Kleinwüchsige oder Kalmücken begafft wurden.

Ähnlichkeiten im Erbgut

Die naturwissenschaftliche Grundlage für diese Forderung sieht er in der hohen Ähnlichkeit des Erbguts zwischen Mensch und Menschenaffe, wobei sich leicht ergänzen lässt, dass auch die Ratte oder mancher Wurm nicht so sehr weit von uns entfernt ist. Und zusätzlich sind es die Fähigkeiten, die den Menschenaffen in die Nähe des Menschen rücken würden: Sie können lernen, sogar Fragmente einer Gebärdensprache, schmieden Pläne, zeigen Emotionen und verwenden Werkzeuge.

Doch gerade beim Sprachvermögen müsse "ein Forscher aufpassen, dass nicht die Phantasie mit ihm durchgeht", sagt Christophe Boesch, Affenforscher und Direktor am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig, in der "National Geographic". Manche der aufgezeichneten "Dialoge" zwischen Mensch und Affe könnte man auch als zwei Monologe auffassen, die in der Auswertung wie Rede und Gegenrede wirken.

Das Opern-Argument zieht nicht

Ein Argument für die Unterscheidung zwischen Mensch und Affe lässt er aber nicht gelten. "Es wird gern gesagt, dass Schimpansen keine Opern komponieren", sagt er und ergänzt: "Das können die meisten Menschen auch nicht. In dieser Hinsicht überschätzen wir unsere Art gern." Immerhin gibt es Affen, die malen, im Krefelder Zoo zum Beispiel — und Menschen, die deren Bilder kaufen.

Geradezu folgerichtig beklagt "Great ape project" die Bedingungen für die Affenhaltung. In jedem dritten deutschen Zoo seien die Gehege nicht artgerecht. Doch wenn Betreuung und Beschäftigung der Menschenaffen nicht den aktuellen Erkenntnissen entsprächen, sollten solche Zoos die Tiere nicht mehr halten dürfen, fordert die Initiative.

Schlechte Wertungen für Wuppertal

Der Wuppertaler Zoo kommt bei der veröffentlichten Studie unter den NRW-Tiergärten besonders schlecht weg: ungenügend. Selbst das 2003 eröffnete und beliebte Orang-Utan-Gehege ist demnach nicht besser als nur mangelhaft. Der Zoo lässt nicht nur seine Affengehege immer von international anerkannten Architekten planen.

Zoodirektor Ulrich Schürer, der derzeit für mehr als eine Million Euro für die Schimpansen und Bonobos einen 150 Quadratmeter großen neuen Klettergarten bauen lässt, kennt die Vorwürfe. Sie seien Unfug und würden mit der bösen Absicht erhoben, den Betrieb von Zoos unmöglich zu machen. Ganz falsch ist das wohl nicht. Nach Goldners Ansicht sind Hunde die einzigen Tiere, die der Mensch halten sollte. Er hat eine Dogge.

Tiere wissen nicht, was Freiheit ist

Der Frankfurter Zoo-Direktor Manfred Niekisch erklärt: "Tiere sind nicht unseresgleichen. Sie kennen den Freiheitsbegriff so nicht, sie haben Territorien, die können aber auch im Zoo sein." Ein guter Zoo gebe den Tieren nicht nur Nahrung, sondern vor allem auch Beschäftigung, Partner, Sicherheit, Rückzugsmöglichkeiten — und sogar Würde.

Ein Argument der Befürworter: Nur wenn Menschenaffen weiter in Zoos gezeigt werden, könnten die Menschen motiviert werden, die natürlichen Lebensräume der Tiere zu schützen. Dass diese massiv gefährdet sind, erfährt der Besucher im Zoo ebenso, wie an vielen Orten konkrete Arterhaltungsprogramme gefördert werden.

Der Wuppertaler Zoo-Direktor Schürer fügt einen anderen Aspekt hinzu: "Wir sind doch noch nicht einmal in der Lage, die Menschenrechte für Menschen sicherzustellen." So stellt sich womöglich auch die Frage der Prioritäten.

(RP/pst/jre)
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