"Kein Mensch schafft das" Kluge Affen verblüffen Forscher

Boston · Mit dem Finger auf Zahlen tippen? Mit einem Partner Probleme lösen? Alles kein Problem für Schimpansen. Sie könnten viel klüger sein als bisher angenommen, vermuten Forscher. Manche Aufgaben bewältigen sie sogar besser als Menschen.

Schweden: Schimpanse beschießt Zoo-Besucher
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Mit seinem langen, braunbehaarten Finger tippt Ayumu immer wieder auf einen Computerbildschirm. Die japanischen Schriftzeichen für "Grau" und "Gelb" kann der Schimpanse ohne Probleme den entsprechenden Farben zuordnen. Auch die Zahlen von 1 bis 19 nacheinander anzuklicken, ist kein Problem für Ayumu, der im Jahr 2000 geborenen wurde und in einem japanischen Forschungsgehege lebt. Die Ziffern 1 bis 9 bringt er sogar dann in die richtige Reihenfolge, wenn die Zahlen nach dem Zufallsprinzip auf dem Bildschirm verteilt sind und von einem grauen Kästchen verdeckt werden. Ayumu tippt auf die 1 - und schon geht es los.

Auch wenn der Schimpanse abgelenkt wird oder einzelne Ziffern fehlen, kann er die Aufgabe immer noch korrekt lösen - und das sogar in weniger als einer Sekunde. "Beeindruckend, nicht wahr?", fragt der japanische Schimpansen-Forscher Tetsuro Matsuzawa.

Gern präsentiert er in bis auf den letzten Platz besetzten Sälen voller Wissenschaftler und Journalisten sein kurzes Video. Es belegt die neuesten Ergebnisse seiner Forschungen mit Ayumu. Danach blickt er in lauter staunende Menschengesichter und sagt: "Sie können das nicht schaffen. Ich habe vielen meiner Studenten diese Aufgabe gestellt. Keiner konnte sie erfüllen."

Seit rund drei Jahrzehnten erforscht Matsuzawa Schimpansen - in der westafrikanischen Wildnis und an der Universität Kyoto. 14 Schimpansen leben im Gehege der Uni-Zweigstelle im zentraljapanischen Inuyama. Viele kämen täglich freiwillig an die Computer-Stationen im Gehege, berichtet der Wissenschaftler. Sie zeigten dabei ähnliche Fähigkeiten wie Ayumu. "Wir müssen uns einfach klarmachen, dass Schimpansen wahrscheinlich viel klüger sind, als wir bislang gedacht haben. Manche Aufgaben können sie besser lösen als wir Menschen", ergänzt er.

Matzusawa führt das auf einen "Kompromiss" der Evolution zurück. "Der Mensch kann sprechen und Verknüpfungen herstellen. Aber dafür hat er dieses extreme Kurzzeitgedächtnis verloren, das die Schimpansen noch haben", berichtete er beim Jahreskongress des US-Wissenschaftsverbands AAAS in Boston. Sein Kollege Neal Barnard von der George Washington University sieht das ähnlich. "Wir müssen wirklich noch einmal unsere Überzeugung überdenken, dass das menschliche Gehirn das komplexeste überhaupt ist", sagt der Mediziner.

Partnersuche und Teamwork

Nicht nur bei Computer-Aufgaben zeigen Schimpansen und einige weitere Menschenaffen erstaunliche Fähigkeiten. Wenn es sein muss - zum Beispiel bei der Futtersuche - ließen sie sich von einem Partner helfen, berichtet die Psychologin Victoria Wobber von den Ergebnissen ihrer Forschung. In einem Experiment zogen zwei Menschenaffen gleichzeitig an zwei verschiedenen Schnüren, um im Teamwork an mit Futter auf einem Brett heranzukommen. Wenn die Zusammenarbeit mit dem einen Partner nicht funktioniert, suchen sie sich beim nächsten Mal einen anderen aus. Ein für gut befundener Artgenosse wird später erneut ausgewählt.

Schimpansen sind einfach schlau: Um an Erdnüsse in einer länglichen, dünnen Glasvase heranzukommen, rannten sie bei Experimenten schnell zu ihrer Tränke. Dann spuckten sie so lange Wasser in die Vase, bis die Erdnüsse oben schwammen. "Sie treffen manche Entscheidungen ähnlich wie wir Menschen", sagt Wobber. "Dafür braucht man wirklich eine ziemlich ausgefeilte kognitive Struktur." Viele Menschenaffen ziehen nach Studien außerdem gekochtes Futter dem rohen vor. Sie sind auch bereit, geduldig zu warten, wenn sie dafür mehr Essen bekommen - anders als Menschen.

Noch hätten Wissenschaftler das Gehirn der Menschenaffen bei weitem nicht komplett verstanden, sagt Psychologin Wobber, die das Verhalten von Bonobos in Afrika untersucht. "Aber es wird immer deutlicher, dass sie wirklich erstaunliche Parallelen zum Menschen aufweisen. Und das lässt uns dann auch Menschen auf eine ganz neue Art und Weise verstehen."

(dpa/felt/das)
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