Supercomputer in Jülich Der schnellste Rechner Europas

Jülich (RP). Das Forschungszentrum Jülich will mit seinen Supercomputern in diesem Jahr eine Billion Rechenoperationen pro Sekunde schaffen. Das wäre Weltspitze. Schon die bisherigen Rechner locken Europas beste Forscher nach Jülich. Ein Besuch in der Computer-Halle.

 Der Jülicher Superrechner besteht aus 16 großen Schränken.

Der Jülicher Superrechner besteht aus 16 großen Schränken.

Foto: forschungszentrum jülich

Allein die Steckdose ist so groß wie ein Küchenschrank. Der Computer selbst besteht aus 16 noch größeren Schränken. Sie stehen wie riesige schwarze Dominosteine in einer Halle des Forschungszentrums Jülich. 65 536 Prozessoren befinden sich darin. Damit ist der Rechner "Jugene" der zurzeit schnellste in Europa. Doch Rechenpower veraltet in rasendem Tempo. Deshalb wollen die Computer-Spezialisten noch in diesem Jahr einen neuen Superrechner aufbauen, der die Weltspitze einholt. Seine Leistung: ein Petaflop/s.

Derzeit steht der schnellste Computer der Welt im amerikanischen Bundesstaat New Mexico. Der so genannte "Roadrunner" hat ebenfalls eine Rechenleistung von einem Petaflop/s. Das heißt, er kann eine Billion Rechenoperationen in einer Sekunde durchführen. "Jugene" im Forschungszentrum Jülich bietet 230 Teraflop/s. Auch das ist bereits eine kaum vorstellbare Größe: Wenn jeder Mensch der Erde in einer Sekunde eine Addition oder Multiplikation durchführen würde, wären die vereinten Geisteskräfte des Erdballs trotzdem noch fast 30 000 Mal langsamer als "Jugene".

Sinn des Wettlaufs in Jülich um noch mehr Teraflop/s sind Simulationen, die mit jeder Rechner-Generation verbessert werden können. Das Forschungszentrum Jülich zieht schon jetzt mit "Jugene" die besten Wissenschaftler Europas an. Physiker können mit dem Rechner beispielsweise detaillierte Vorgänge in der Atmosphäre beschreiben. Biologen können das Verhalten von Proteinen ermitteln und Mediziner neue Geräte wie eine Blutpumpe testen.

Ein Beispiel: Die Blutpumpe wird bei geschwächten Herzen eingesetzt. Jedes neue Modell muss vorab in einer Simulation getestet werden. Dabei berechnen die Mediziner, was mit den Teilchen passiert, wenn sie durch die Pumpe geschleust werden. Wegen der vielen Bestandteile des Bluts sind enorm viele Rechenoperationen notwendig. "Jugene" erleichtert sie. Entsprechend viele Anfragen bekommt das Forschungszentrum von Wissenschaftlern aus der ganzen Welt. "Wir haben Anfragen, die insgesamt die zur Verfügung stehende Rechenzeit um das siebenfache übersteigen", sagt Thomas Lippert, Leiter des Jülich Supercomputing-Centre (JSC).

Wer "Jugene" nutzen darf, entscheidet der unabhängige wissenschaftliche Rat nach den Kriterien von wissenschaftlicher Exzellenz und Effizienz. Er wählt die vielversprechendsten Projekte aus. Rund 500 wissenschaftliche Publikationen entstehen so pro Jahr mit Hilfe des Supercomputers.

Erst im Februar 2008 war "Jugene" als Nachfolgemodell früherer Supercomputer in Betrieb genommen worden. Wer je einen Privatcomputer angeschlossen und in Betrieb genommen hat, kann erahnen, was es heißt, einen Supercomputer zu starten. Mit "Jugene" lieferten sich die Jülicher Experten einen faszinierenden Wettlauf gegen die Zeit. Sie wollten in der Liste der schnellsten Computer der Welt an die Spitze gelangen und mussten den Rechner dafür innerhalb von vier Wochen aufbauen und seine Rechenstärke beweisen.

Bis zu sechs Techniker arbeiteten Tag und Nacht. Manche Bauteile wurden nachts mit dem Taxi vom Flughafen nach Jülich gebracht, um keine Zeit zu verlieren. Kilometerlange Netzwerkkabel wurden verlegt und eine Luftkühlung installiert, die die Halle von "Jugene" mit einem permanenten lauten Rauschen beschallt. Als kurz darauf die neue Liste der "Top 500" Computer erschien, ging Jugene als "schnellster ziviler Supercomputer der Welt" in die Geschichte ein. Schon im Juli 2008 fiel der Rechner jedoch auf Platz sechs zurück. Inzwischen steigt die Spannung, weil ein neuer Wettlauf bevorsteht.

Gleichzeitig arbeitet das Team von Lippert an flexibleren Computersystemen für kleinere Simulationen, die aber hohe Anforderungen an den Arbeitsspeicher und das Kommunikationsnetz stellen. "Das werden in Zukunft Clustercomputer aus Standardkomponenten sein", erklärt Lippert. Der erste Computer dieser Art soll den Namen "JuRoPa" tragen. Im Mai wird er eingeweiht und soll die Hochleistungsrechner entlasten.

Lippert sieht das Forschungszentrum Jülich damit auch künftig als erste Adresse für Computerforschung. Sein Traum, der realistisch erscheint: dass Jülich den Vergleich mit den USA nicht scheuen muss und im Jahr 2012 ein Rechner mit zehn Petaflop/s Leistung installiert wird.

(RP)
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