Neuer Simulator Der Airbus A 320 verlangt eine sanfte Hand

Bonn (RP). Im Bonner Haus der Luft- und Raumfahrt steht nun ein professioneller Airbus-A 320-Simulator. Drei Beamer, Projektoren, und acht Computer erzeugen die fast perfekte Illusion. Der Selbstversuch zeigt: Fliegen ist nicht schwer, das Landen dagegen kann unerwartete Probleme mit sich bringen.

 Im Cockpit des Simulators ist es ganz schön eng.

Im Cockpit des Simulators ist es ganz schön eng.

Foto: RP/Ludwig Jovanovic

Es sind wenige Stufen bis zum Cockpit. Nur ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein großer Sprung für mich. Nun wird mein Kindheitstraum wahr: Der Pilot fällt aus. Heldenhaft übernehme ich den Steuerknüppel, lande die Maschine, und die Passagiere applaudieren. Nur dass im etwa 180.000 Euro teuren Airbus-A 320-Simulator des Bonner Hauses der Luft- und Raumfahrt die "Passagiere" acht Computer sind. Und die klatschen keinen Beifall. Dafür lachen sie auch nicht bei meinem Versuch, im rechten Sitz des Co-Piloten Platz zu nehmen. Das fällt mit etwas Übung wahrscheinlich leicht. Doch Übung ist genau das, was mir fehlt.

Darum sieht es alles andere als elegant aus, wie ich im engen Cockpit mein linkes Bein in den Fußraum stelle, mich an der Rückenlehne festhalte, das Becken drehe, um mich dann in den Sitz fallenzulassen. Besonders heldenhaft fühle ich mich nicht. Zudem scheinen die Piloten-Sitze im Cockpit des Airbus A 320 für Menschen gemacht, die größer sind als ich. Sehr viel größer. "Einfach am Hebel unterm Sitz ziehen und nach vorne schieben", sagt "Flight Instructor" Guido Böttcher. "Aber stoßen Sie . . ." Autsch! Mein Kopf hat da schon Bekanntschaft mit der Konsole gemacht.

Jetzt bin ich Co-Pilot

Doch wenn man erst einmal die richtige Sitzposition gefunden hat, dann merkt man auch, warum es so eng ist: Eingeschlossen von Instrumenten, Hebeln und Schaltern, die nur einen Handgriff entfernt sind, fühle ich mich so, als ob ich alles unter Kontrolle hätte — obwohl ich keine Ahnung habe, welcher Knopf und Schalter was kontrolliert. Jetzt bin ich also Co-Pilot. Für mich heißt das, dass ich den Kapitän links von mir unterstütze. Also: Park-Bremse lösen. Flight-Instructor Böttcher leuchtet mit einem Laser-Pointer auf einen halbrunden Knopf hinten in der Mittelkonsole. Den muss ich anheben und gegen den Uhrzeiger drehen. Das Bremssystem bleibt dabei auf "Automatik". Bei einem Startabbruch würde das Flugzeug dann am Boden sofort eine Vollbremsung vollziehen, und nicht erst darauf warten, dass beide Fußpedale gleichzeitig gedrückt werden. Für den Start sollen die Klappen an den Tragflächen nur leicht angestellt sein, um für mehr Auftrieb zu sorgen.

Klingt kompliziert, aber im Airbus sind die Stellungen durchnummeriert. Ich muss den Hebel nur auf "Flap 1" (Klappen zehn Grad Neigung) stellen. Dann ist meine Hand an den Schubreglern. Ich bin Herr über die beiden Triebwerke mit je etwa 120 Kilonewton Schubkraft: Das ist so, als ob zwölf Tonnen Gewichte an jeder Seite die knapp 38 Meter lange Maschine nach vorne reißen würden. Für den Start muss ich volle Kraft geben und die Regler nach vorne drücken. Eigentlich sollte ich dem Kapitän jetzt noch sagen, wann V1 erreicht ist — die Geschwindigkeit, bei dem der Start abgebrochen werden kann und die Startbahn für eine Vollbremsung gerade noch ausreicht. Das hängt zwar vom Startgewicht ab, aber als Richtwert sind es etwa 150 Knoten (278 km/h). Feinheiten, auf die wir bei meinem ersten Flug verzichten. Hauptsache der Airbus hebt ab.

Multi-Tasking pur

Und das tut er in der Simulation, von der ich kaum etwas mitkriege. Gebannt starre ich auf die Geschwindigkeitsanzeige neben dem künstlichen Horizont. Sie markiert den idealen Wert und blendet Pfeile ein — wenn wir zu schnell oder zu langsam werden. In beiden Fällen könnte der Airbus abstürzen. Und weil wir in der Simulation ohne Autopiloten fliegen, muss der Schub ständig nachjustiert werden — von mir. Die Triebwerke reagieren aber nur mit Verzögerung. Keine leichte Aufgabe — ohne das Einziehen des Fahrgestells zu vergessen und die Klappen wieder einzufahren. Ich verstehe jetzt, warum der Kapitän einen Co-Piloten braucht. Alleine wäre das kaum zu bewältigen. Und er verlässt sich blind auf mich — jemanden, der sich beim Platz nehmen den Kopf stößt.

Dann schlägt meine heldenhafte Stunde: Die Sitze müssen wir nicht wechseln. Der Co-Pilot kann die Maschine genauso steuern wie der Kapitän. Ich habe nur einen Vorteil. Der Sidestick, der Steuerknüppel, ist bei mir rechts angebracht. Als Rechtshänder kontrolliere ich die Maschine so mit meiner sensiblen Hand. Ich wähle Düsseldorf als Flughafen aus. Auf die Startbahn rolle ich mit etwas Schub und mit Hilfe der Fußpedale, um nach links oder rechts zu steuern. Ich hatte mich schon gefragt, warum sie überhaupt da sind. Schließlich wird der Airbus an sich nur per Sidestick gesteuert. Ein Computer rechnet das auf die entsprechende Einstellung von Höhen-, Seiten- und Querruder um. Das ist in einem echten A 320 nicht anders. Der Kapitän gibt vollen Schub. Die Umgebung scheint an der Maschine vorbei zu rasen. "Hochziehen" lautet das knappe Kommando.

Um bloß nichts falsch zu machen, ziehe ich nur langsam am Steuerknüppel — und die Maschine steigt tatsächlich. Ich erkenne den Vorteil des Sidesticks. Es ist keine komplizierte Koordination von Händen und Füßen erforderlich. Der A 320 mit 44 Tonnen Leergewicht wird auch nicht mit Kraft "gezwungen", sondern sanft, mit ruhiger Hand geführt. Gut, der Sidestick zwingt auch dazu, weil er überaus empfindlich reagiert. Im künstlichen Horizont zeigt mir ein "Diamant" an, wie weit ich nach rechts oder links fliege. In einer Höhe von 3000 Fuß, 1000 Meter, fliege ich über Düsseldorf.

Eine perfekte Landung - fast

"Jetzt eine Linkskurve", sagt mein Flight Instructor. Das stellt mich vor unerwartete Probleme: Ziehe ich den Sidestick nach links, dreht sich der "Diamant" im künstlichen Horizont nach rechts — weil sich der rechte Flügel dann nach oben neigt. Zumindest erkläre ich es mir so. Trotzdem ist es verwirrend, weil meine Hand etwas anderes tut, als meine Augen ablesen. So verwirrend, dass ich sofort korrigieren möchte und nach rechts ziehe. "Das andere Links", mahnt mein Instructor. Ja, klar: "Diamant"-Rechts ist Hand-Links. Endlich habe ich so viel Vertrauen zu meinen Flugkünsten, dass ich aus dem Fenster schaue. Die Simulation ist so perfekt, dass der Unterschied zur Realität nicht auffällt. Nur Flugbewegungen fehlen, sonst ist man ziemlich nah an der Wirklichkeit. Den Fernsehturm kann ich sehen und den Rhein.

"Sie sind schon mal geflogen", stellt Böttcher fest. "Nein." "Dafür machen Sie das sehr gut." Kurz blitzt das Heldenbild aus meinem Kindheitstraum wieder auf. Naja, bis zur Landung. Wieder will mir das mit links und rechts nicht gelingen — immer wieder ein Zucken in die falsche Richtung. Trotzdem lande ich butterweich, meine Passagiere hätten bestimmt applaudiert. Leider sind wir nicht auf der Landebahn, sondern auf einem Grünstreifen daneben.

(RP)
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