Serie Forscher in der Region Lehren für die neue Normalität

Die Corona-Pandemie hat Unternehmer, Angestellte und auch Studierende hart getroffen. Nun gilt es, aus den Problemen die richtigen Schlüsse zu ziehen. Sicher ist: Die wirtschaftlichen Folgen werden noch lange spürbar bleiben.

 Gregor Berghausen ist seit 2016 Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Düsseldorf.

Gregor Berghausen ist seit 2016 Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Düsseldorf.

Foto: Robert Poorten

Es ist mit 60 bis maximal 160 Millionstel Millimeter sehr klein, aber äußerst virulent und hochgefährlich. Die Rede ist natürlich von SARS-CoV-2, besser bekannt als Corona-Virus. Dem Verursacher der Corona-Pandemie ist es innerhalb weniger Wochen gelungen, das gesellschaftliche Leben und die wirtschaftlichen Aktivitäten in unserer globalisierten Welt nahezu zum Erliegen zu bringen. Die Folge: Mit Stand 20. Mai gab es weltweit fast fünf Millionen Infizierte, rund 1,7 Millionen Genesene und über 300.000 Todesfälle. Durch massive Shut- oder Lockdowns in den betroffenen Ländern, durch Ausgangssperren, strenge Abstandsregeln und Hygienemaßnahmen sinkt die Zahl der Infektionen in einigen Ländern gottlob wieder. Seit Ende März sinken die Infektionszahlen auch in Deutschland.

Lehre Nummer 1: Wir sind nicht safe, aber wir sind auch nicht wehrlos

Mit den von Bund und Ländern zwischenzeitlich beschlossenen Lockerungen tasten wir uns langsam wieder an die Normalität heran. Und das ist wichtig für die Wirtschaft, für manche Branchen sogar überlebenswichtig. Denn die Unternehmen hat es hart getroffen: Die exportierende Wirtschaft, weil in kürzester Zeit Absatzmärkte und Lieferketten wegbrachen, den Handel, der bei weiter laufenden Kosten massive Umsatzeinbußen hinnehmen musste, und natürlich die Hotellerie und Gastronomie, deren Geschäftsmodell aufgrund ausbleibender Gäste schlichtweg auf Eis lag. Ähnliches gilt für die Tourismusbranche, für Messen und Eventdienstleister, um nur die wichtigsten zu nennen.

Lehre Nummer 2: Der Schock sitzt tief. Aber wir werden mit dem Corona-Virus auch künftig leben müssen

Daher gilt es nun, Geschäftsmodelle zu überdenken und gegebenenfalls zu modifizieren, Lieferketten zu diversifizieren und bei sensiblen Gütern die inländische Produktion beziehungsweise eine neue Form der Bevorratung in Erwägung zu ziehen.

Richtig war, dass Bund und Land NRW den besonders stark betroffenen Branchen und Unternehmern durch verschiedenste Unterstützungsmaßnahmen schnell und effizient unter die Arme gegriffen haben. In welchem Umfang diese tatsächlich Schlimmeres verhindert haben, werden wir erst in Monaten, vielleicht auch erst im nächsten Jahr wissen, denn laut einer IHK-Umfrage bei 300 Unternehmen im IHK-Bezirk Düsseldorf erwarten nur 15 Prozent eine Rückkehr zur geschäftlichen Normalität noch im ersten Halbjahr 2020. 20 Prozent erwarten diese bis Ende September, weitere 16 Prozent im vierten Quartal. Für fast 30 Prozent werden die Geschäfte jedoch erst im kommenden Jahr wieder so richtig anlaufen, bei sieben Prozent sogar noch später.

Lehre Nummer 3: Bund und Land NRW haben schnell und richtig reagiert.

Und sie konnten das deshalb tun, weil nach fast zehn Jahren Hochkonjunktur die öffentlichen Kassen gut gefüllt waren, nicht zuletzt aufgrund der hohen Wirtschaftskraft unserer Unternehmen. Umso wichtiger ist es, schnellstmöglich zu dieser Stärke zurückzukehren.

Die Wirtschaft steht zu ihrer gesellschaftlichen Verantwortung: Der Gesundheitsschutz für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Kunden und Lieferanten hat oberste Priorität. Dennoch wirkt das, was zu unser aller Schutz weiterhin notwendig ist, nämlich die Einhaltung von Abstandsregeln und Hygienemaßnahmen, wie ein Bremsschirm. Die Auswirkungen der Corona-Krise zeigen sich daher unter anderem in der nach wie vor verhaltenen Konsumlaune, Innenstädte und Geschäfte beleben sich nur langsam. Die entgangenen Einnahmen in Hotellerie und Gastronomie sind für dieses Jahr unwiederbringlich verloren. Und auch der Neustart mit weniger zu besetzenden Tischen und Hotelbetten wird die Ertragssituation nur langsam verbessern. Inwieweit die Tourismus-Maschine wieder anspringen wird, wissen wir frühestens am Ende dieses Sommers – denn die Angst vor Ansteckung reist mit. Messe- und Eventdienstleister werden erst wieder richtig aufatmen können, wenn unser Leben zur Normalität zurückgefunden hat.

Lehre Nummer 4: Die Folgen des mehrwöchigen Lockdowns wird die Wirtschaft noch lange spüren.

Die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt sind derzeit noch nicht bezifferbar, in jedem Fall aber werden Bund, Land und Kommunen mit deutlich sinkenden Steuereinnahmen zu rechnen haben. Not, so weiß der Volksmund, macht erfinderisch. Und das ist das Positive an der Corona-Krise, nämlich die Kreativität und Solidarität, mit der viele Unternehmer dieser getrotzt haben. Gastronomen etwa, die – weil die Gäste nicht zum Essen kommen konnten – dieses zur Abholung oder zur Lieferung anboten. Unternehmer, die für andere Unternehmer deren Waren mitauslieferten. Stationäre Händler, die bisher über keinen eigenen Online-Shop verfügten, diesen aber inzwischen über bereits vorhandene Portale realisiert haben. IT-Dienstleister, die kostenlos oder zu geringen Kosten ihre Unterstützung anboten. Bildungsanbieter, die Webinare statt Präsenzunterricht ermöglichten. Und natürlich alle Unternehmen unterschiedlichster Größe, die in kürzester Zeit Home-Office für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter realisierten und Meetings oder Geschäftsreisen durch Video- und Telefonkonferenzen ersetzten.

Lehre Nummer 5: Die Corona-Krise hat die Wirtschaft hart getroffen, aber vieles wie etwa die Digitalisierung auch erst möglich gemacht.

 Gastronomie geht aktuell nur mit Zollstock. Wirte und Restaurantbesitzer müssen für den Mindestabstand ihrer Gäste sorgen.

Gastronomie geht aktuell nur mit Zollstock. Wirte und Restaurantbesitzer müssen für den Mindestabstand ihrer Gäste sorgen.

Foto: dpa/Jens Kalaene

Die positiven Erfahrungen aus der Krise werden bleiben und das Wirtschafts- und Arbeitsleben dauerhaft verändern. Das wiederum wird uns helfen, uns den Corona-unabhängigen Herausforderungen der Zukunft zu stellen, wie dem Klimawandel und Verkehrswende.

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