Neuartiger Blitzableiter Wissenschaftler lenken Blitze mit Laserstrahl

Paris · Blitze können Waldbrände auslösen, sie verursachen weltweit Schäden in Millionenhöhe und töten Tausende Menschen. Nun haben Wissenschaftler offenbar einen Weg gefunden, Blitze auf ihrem Weg zur Erde zu lenken.

 Pressefoto der Lasertechnologie zur Umleitung eines Blitzes im Einsatz auf dem Santis in der Schweiz.

Pressefoto der Lasertechnologie zur Umleitung eines Blitzes im Einsatz auf dem Santis in der Schweiz.

Foto: AFP/MARTIN STOLLBERG

Ein Laser kann bei einem Gewitter Blitzentladungen zu einem Blitzableiter führen. Das zeigt die Untersuchung einer internationalen Forschergruppe an einem 124 Meter hohen Telekommunikationsturm auf dem Schweizer Berg Säntis. Die Erkenntnis könnte zu einem besseren Blitzschutz für Flughäfen, Startrampen und große Infrastruktureinrichtungen führen, schreibt das Team um Physiker Aurélien Houard der Pariser Hochschule für Ingenieure (Ensta) im Fachmagazin „Nature Photonics“.

„Wir wollten zeigen, dass der Laser einen Einfluss auf den Blitz haben kann - und dass es einfach ist, ihn zu lenken“, sagte Houard. Laser für den Blitzschutz einzusetzen, wurde bereits 1974 vorgeschlagen. Im Labor wurde die Führung von Blitzen durch Laser Ende der 1990er Jahre nachgewiesen. Doch Versuche im Freien scheiterten 2004 im US-Bundesstaat New Mexico und 2011 in Singapur. Dass die Experimente am Berg Säntis erfolgreich verliefen, führen die Wissenschaftler auf die um zwei Größenordnungen höhere Laserpuls-Wiederholungsrate als bei den früheren Versuchen zurück. Der eingesetzte Laser strahlte Licht von etwa einem Mikrometer (Tausendstel Millimeter) Wellenlänge und mit einer Wiederholungsrate von 1000 Hertz aus.

Die Forscher profitierten davon, dass der Turm auf dem Säntis in den vergangenen Jahren immer wieder für Messungen an Blitzen genutzt wurde. „Dieser Turm, der etwa 100 Mal im Jahr vom Blitz getroffen wird, ist mit mehreren Sensoren ausgestattet, die den Blitzstrom, elektromagnetische Felder in verschiedenen Entfernungen, Röntgenstrahlen und Strahlungsquellen der Blitzentladungen aufzeichnen“, schreiben die Studienautoren. Sie installierten weitere Messgeräte und zwei Hochgeschwindigkeitskameras, die Blitzeinschläge mit bis zu 24 000 Bildern pro Sekunde aufzeichneten.

Diese Kameras waren 1,4 und 5 Kilometer von der Turmspitze entfernt und lieferten nur bei guter Sicht brauchbare Ergebnisse. Dies war bei einem der vier aufgezeichneten Blitze, bei denen der Laser eingeschaltet war, der Fall. Die Kamerabilder zeigen, dass sich der Blitz mehr als 50 Meter lang um den Laserstrahl herumwindet und dann in den Blitzableiter des Turms einschlägt. Der leicht geneigte Laserstrahl war so ausgerichtet, dass er der Turmspitze nahekam.

 Diese Pressefotos der Pariser Hochschule für Ingenieure (Ensta) zeigen Blitze während eines Laser-Einsatzes in den Schweizer Bergen.

Diese Pressefotos der Pariser Hochschule für Ingenieure (Ensta) zeigen Blitze während eines Laser-Einsatzes in den Schweizer Bergen.

Foto: AFP/HANDOUT

Physikalisch gesehen passiert wahrscheinlich Folgendes: Die intensiven Laserpulse heizen die Luft stark auf, so dass viele Luftmoleküle in die kühlere Umgebung entweichen; es entsteht entlang dem Laserstrahl eine Art Kanal mit sehr geringer Luftdichte, ein sogenanntes Filament. In diesem Filament ist die Luft erheblich leitfähiger als in der Umgebung, weshalb sie Blitzableitungen erleichtert. Vergleiche mit aufgezeichneten Blitzen ohne Laser zeigen, dass der Blitz durch die Führung des Lasers sehr viel zielgenauer den Blitzableiter des Turms trifft.

Die Luft wird „teilweise leitfähig und daher ein bevorzugter Weg für den Blitz“, erklärt Houard, Hauptautor der Studie. Theoretisch könnte die Technik sogar eingesetzt werden, um Blitze überhaupt erst auszulösen, erklärte der Forscher. So könnten wichtige Einrichtungen wie Flughäfen oder Raketenabschussrampen besser geschützt werden, indem Blitze zu einem gewählten Zeitpunkt gezündet werden.

„Die Ergebnisse der Säntis-Versuchskampagne im Sommer 2021 liefern Indizienbeweise dafür, dass Filamente, die durch kurze und intensive Laserpulse gebildet werden, Blitzentladungen über beträchtliche Distanzen leiten können“, lautet das Fazit der Studienautoren. Diese vorläufigen Ergebnisse sollten jedoch durch weitere Versuchsreihen mit neuen Konfigurationen bestätigt werden.

Weltweit schlagen 40 bis 120 Mal pro Sekunde Blitze ein. Blitze töten jährlich mehr als 4000 Menschen und verursachen Schäden in Milliardenhöhe. Den besten Schutz bietet immer noch der einfache Blitzableiter, den der US-Universalgelehrte Benjamin Franklin 1749 entwickelt hatte. Die gleiche Idee nutzte nun das Team von Wissenschaftlern aus sechs Forschungseinrichtungen, das seit Jahren daran arbeitet, den einfachen Metallstab durch einen Laserstrahl zu ersetzen.

(peng/AFP/dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort