Autoritarismus-Studie Aggressive Einstellungen nehmen laut Untersuchung zu

Berlin · Für die Studie „Autoritäre Dynamiken in unsicheren Zeiten“ waren zwischen März und Mai 2022 bundesweit 2.522 Menschen befragt worden.

Elmar Brähler (l.) und Oliver Decker stellen die "Leipziger Autoritarismus-Studie 2022" vor (Agenturfoto).

Elmar Brähler (l.) und Oliver Decker stellen die "Leipziger Autoritarismus-Studie 2022" vor (Agenturfoto).

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Rechtsextreme Einstellungen sind in Deutschland einer Studie zufolge auf dem Rückzug. Zugleich wächst der Hass gegen Migranten, Juden, Muslime sowie Sinti und Roma. Das sind wesentliche Ergebnisse der elften Autoritarismus-Studie der Universität Leipzig, die am Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde.

Die Stärkung der Exekutive während der Corona-Pandemie habe zu einer größeren Zufriedenheit mit der Demokratie geführt, sagte der Sozialpsychologe Oliver Decker als Studienleiter. Zugleich hätten die Einschränkungen das Gefühl der eigenen politischen Wirkungslosigkeit sowie „autoritäre Aggressionen“ gegen einzelne Gruppen erhöht. Zudem sei eine Rückkehr zu tradierten Geschlechterrollen in der Krise zu beobachten. Die festgestellte „Fragmentierung der Gesellschaft“ verweise auf eine hohe Polarisierungsbereitschaft, hieß es weiter.

Für die Studie „Autoritäre Dynamiken in unsicheren Zeiten“ waren zwischen März und Mai 2022 bundesweit 2.522 Menschen befragt worden, davon 535 in Ostdeutschland. Mitfinanziert wurde die Untersuchung von der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung und der Otto-Brenner-Stiftung der Industriegewerkschaft Metall.

Demnach ist der Anteil der Menschen, die mit der verfassungsmäßigen Demokratie zufrieden sind, in Ostdeutschland von 65 Prozent im Jahr 2020 auf aktuell 90 Prozent angestiegen. Bundesweit erfährt sie zu 82 Prozent Zustimmung. Aber nur gerade die Hälfte der Befragten sei mit der demokratischen Alltagspraxis einverstanden, so Decker. Die hohe Zufriedenheit mit der Staatsform und der durch die Pandemie gestärkten Exekutive gehe offenbar mit dem Gefühl einher, dennoch keinen politischen Einfluss haben.

Diese „autoritäre Sicherheit“ habe ihren Preis, so die Autoren. Die Ohnmachtsgefühle und die Einschränkungen des eigenen Lebens würden akzeptiert, führten aber auch zu einer Steigerung der Aggressionen. „Deshalb hat die Neo-NS-Ideologie und damit Elemente rechtsextremer Einstellungen gegenwärtig an Bedeutung verloren“, so Co-Studienleiter Elmar Brähler. Laut Studie zeigen nur noch zwei Prozent der Ostdeutschen ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild, 2020 waren es noch zehn Prozent. Aber nun würden andere antidemokratische Motive in den Vordergrund treten: „Es sind Vorurteile, der Hass auf ‚Andere‘.“ Und der würde nicht seltener und auch von rechtsextremen Parteien bedient.

So ist die Ablehnung von Muslimen in Ostdeutschland im Vergleich zu 2020 gestiegen: 46,6 Prozent stimmen der Aussage „Muslimen sollte die Zuwanderung nach Deutschland untersagt werden“ zu, in Westdeutschland sind es 23,6 Prozent. Sinti und Roma werden von 54,9 Prozent der Ostdeutschen und 23,6 Prozent der Westdeutschen abgelehnt. Mit Blick auf Antisemitismus und den Holocaust heißt es, knapp die Hälfte der Befragten in Deutschland stimme Aussagen des sogenannten „Schuldabwehrantisemitismus“ zu. Dies sei die meistverbreitete Ausdrucksmöglichkeit für Antisemitismus.

Auch die Zustimmung zu antifeministischen Aussagen ist gestiegen: 27 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass Frauen, „die mit ihren Forderungen zu weit gehen, sich nicht wundern müssen, wenn sie wieder in ihre Schranken gewiesen werden“.

(zeit/epd)
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