Schlachtfeld bei Gadebusch Archäologen graben hunderte Bleikugeln aus

Gadebusch · Bei Gadebusch trafen vor 300 Jahren im Nordischen Krieg Schweden und Dänemark aufeinander. Archäologen bargen Hunderte Bleikugeln aus dem historischen Acker. Die größte Feldschlacht Mecklenburgs ist auch Thema einer Tagung am Wochenende.

 So sehen die Bleikugeln aus, die die Archäologen geborgen haben.

So sehen die Bleikugeln aus, die die Archäologen geborgen haben.

Foto: dpa, Jens Büttner

Mit erdfarbener Patina überzogen lagern unscheinbare, daumendicke Kugeln dutzendweise in unzähligen Pappschachteln des archäologischen Archivs im Schloss Wiligrad bei Schwerin. Landesarchäologe Detlef Jantzen wiegt ein paar der Bleigeschosse in der Hand. "Das sind alles kleine Mosaiksteine für ein großes Gesamtbild", meint der Wissenschaftler. "Die Bergung und wissenschaftliche Dokumentation der wenigen Funde ist die einzige Chance, sich der historischen Wahrheit um die größte Feldschlacht auf mecklenburgischen Boden vor 300 Jahren zu nähern."

Während des Nordischen Krieges (1700-1721) um die Vorherrschaft im Ostseeraum war es am 20. Dezember 1712 nahe Wakenstädt bei Gadebusch zu einer blutigen Schlacht zwischen den königlichen Armeen Schwedens und Dänemarks mit rund 40.000 beteiligten Soldaten und mindestens 4000 Toten gekommen. "Die Schlacht, in der Schweden zum letzten Mal gewinnt, war nicht kriegsentscheidend und äußerst grausam", meint Frank Rohmann, Vorsitzender des Kulturhistorischen Vereins 1712 e.V.
Seit 15 Jahren erforsche der Verein das Gemetzel von Wakenstädt, das zu DDR-Zeiten aus unklaren Gründen totgeschwiegen wurde, hieß es. Die Schwedenschlacht ist am Wochenende (13./14.10.) erstmals Thema einer Konferenz in Gadebusch.

Trotz der enormen Munitionsmengen, die vor 300 Jahren rund um das Dorf Wakenstädt verschossen worden waren, bargen die Archäologen bei ihren systematischen Begehungen des Schlachtfeldes in den vergangenen zwei Jahren nur relativ wenig, wie Grabungstechniker Bernd Wollschläger sagt. Nach der Schwedenschlacht sei der Pulverdampf kaum verzogen gewesen, als das rund zehn Hektar große Kampffeld von armen Bewohnern der Region komplett geplündert wurde, erklärt Chefarchäologe Jantzen. Auch die Kriegskasse sei verschollen. Ebenso hätten die Bodendenkmalpfleger nie eines der vermuteten Massengräber der Schlacht bei Gadebusch ausmachen können.

"Dieser Ort, der möglicherweise noch einen riesigen Friedhof birgt, ringt den Historikern und Archäologen einen gehörigen Respekt ab", so Jantzen. Die detaillierte Bewertung von Kugel-Konzentrationen sei der einzige Weg, fundierte Informationen über das damalige Kriegsgeschehen herauszubekommen. Jegliche Berichte und Militärkarten aus dem 18. Jahrhundert, die in Archiven lagerten, seien sehr schematisch und parteilich verfasst und daher völlig unzuverlässige Quellen, sagt Jantzen. "Da mischen sich Fantasie, Legenden und Kriegspropaganda."

Im wesentlichen kamen bei den systematischen Untersuchungen der Archäologen mit Metalldetektoren auf dem Schlachtfeld von Wakenstädt seit März 2010 viele Hunderte aus Blei gegossene Musketenkugeln sowie einige Kanonenkugeln, eiserne Gewehr- und Uniformteile zum Vorschein.
Obwohl die Bauern den Acker seit 300 Jahren immer wieder umgepflügt hätten, sei die Munition in tieferen Bodenschichten nur wenig bewegt worden, sagt Grabungsleiter Wollschläger.

Kugelhaufen, -streuungen oder auch wenige munitionsfreie Flächen geben nun Aufschluss über Details des blutigen Gemetzels. Noch bis 2013 soll weitergesucht werden. "Ziel ist es nicht, die letzte Kugel aus dem Acker zu holen", betont Restaurator Wollschläger. Aber die Wahrheit über die größte Feldschlacht in Mecklenburg könne möglicherweise bald aufgedeckt werden.

(dpa)
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