Düsseldorf Erfolg deutscher Genforscher

Düsseldorf · Die Genforschung macht rasante Fortschritte, ständig werden neue Entdeckungen in den Fachmagazinen verkündet. Die neueste Meldung kommt aus dem Berliner Max-Planck-Institut. Dort entschlüsselten Wissenschaftler jetzt zum ersten Mal das Erbgut eines Menschen tatsächlich bis ins kleinste Detail. Ihre Ergebnisse veröffentlichen die Forscher heute im Fachblatt "Genome Research". Das Besondere an ihrer Arbeit: Die Biologen analysierten erstmalig die beiden Chromosomensätze eines menschlichen Genoms getrennt voneinander.

Jeder Mensch bekommt von Mutter und Vater ein eigenes Genom vererbt. Jedes seiner 22 Chromosomen, einschließlich der darauf vorhandenen Gene, kommt also doppelt in den Zellen vor. Davon ausgenommen sind nur die beiden Geschlechtschromosomen, das 23. Chromosomenpaar.

Bislang galt die doppelte Genausführung nur als eine Vorsichtsmaßnahme der Natur, um Kopier- und Ablesefehler des Erbguts korrigieren zu können. Denn diese können dramatische Folgen haben – zu Mutationen führen und zum Beispiel Krebs auslösen.

Die bis heute angewandten Verfahren, die Gene zu entschlüsseln, sind aber nicht in der Lage, beide Fassungen eines Chromosoms getrennt auszulesen. Stattdessen liefern sie einen "Cocktail" aus beiden Chromosomenversionen. Mit dieser Methode haben Forscher im Jahr 2003 erstmals das menschlichen Genom entziffert. Damals dachte man, jetzt sei klar, wie das Leben funktioniert. Aber die Natur ist eben sehr viel komplexer.

Die Berliner Forscher schauten sich in den vergangenen anderthalb Jahren die Gene eines 51-jährigen männlichen Deutschen an. Dabei entschlüsselten sie nahezu alle der 17 861 Gene auf den 22 Chromosomen. Die Wissenschaftler entwickelten eine neue Methode, um die beiden Versionen der Chromosomen getrennt voneinander bestimmen zu können. "Wir haben die genomische DNA zuerst in eine Mixtur von Fragmenten zerlegt, die entweder vom mütterlichen oder väterlichen Chromosom stammen, sie dann entziffert, und zu den zwei separaten Chromosomenversionen zusammengefügt", erklärt die Leiterin der Arbeitsgruppe Margret Hoehe. Ihre Ergebnisse zeigen, dass 90 Prozent der Gene zwei unterschiedliche molekulare Formen haben. Die Versionen unseres persönlichen Erbguts unterscheiden sich insgesamt an rund zwei Millionen Stellen – und könnten somit auch verschiedene Aufgaben erfüllen.

"Die Biologie des Genoms muss endlich auf seine zwei Beine gestellt werden, wie die Natur es vorgegeben hat", sagt Hoehe. "Es wird immer nur von dem Genom gesprochen. Für die Entwicklung einer personalisierten Medizin ist es unverzichtbar, die Chromosomensätze gesondert zu betrachten, da sie sich hinsichtlich ihres genetischen Codes und damit auch ihrer Funktionen unterscheiden können."

Die Forscher hoffen, individualisierte Strategien zu Prävention und Behandlung von Krankheiten entwickeln zu können. Denn zwei Patienten mit dergleichen Krankheit, müssen nicht unbedingt gleich behandelt werden. Die nächste Frage wird sein: Welche der Genformen ist dominant, setzt sich gegen ihr Gegenstück durch und macht am Ende krank? Und warum?

(RP)
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