25 Millionen Opfer im Mittelalter Erbgut des Pesterregers entschlüsselt

Tübingen (RPO). Lange war umstritten, welcher Krankheitserreger die Pestepidemie im Mittelalter auslöste, der 25 Millionen Menschen zum Opfer vielen. Doch nun hat ein internationales Forscherteam um den Tübinger Genetiker Johannes Krause offenbar das Erbgut des Bakteriums Yersinia pestis entschlüsselt, das für den Schwarzen Tod verantwortlich sein soll.

 Das Bakteriums Yersinia pestis unter dem Mikroskop.

Das Bakteriums Yersinia pestis unter dem Mikroskop.

Foto: Rocky Mountain Laboratories, AP

"Wir haben etwa 99 Prozent des Genoms rekonstruieren können", sagte Krause bei der Vorstellung der Studie am Mittwoch in Tübingen. Dafür arbeiteten Krause und seine Mitarbeiterin Verena Schünemann mit Wissenschaftlern von der McMaster University in Kanada, dem Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig, und der University of South Carolina in den USA zusammen.

Das Team setzte auf neue Technologien. In weniger als einem Jahr hätten sie das Genom des Pesterregers damit entschlüsseln können, erzählte Juniorprofessor Krause. Insgesamt sei aber etwa vier Jahre lang geforscht worden. Mit den Ergebnissen könne die Evolution von Krankheitserregern besser nachvollzogen werden, sagte aus Leinefelde stammende Krause begeistert. So habe das Team etwa herausgefunden, dass sich die Pesterreger seit der Epidemie zwischen 1348 und 1353, der etwa 25 Millionen Menschen zum Opfer fielen, kaum verändert hätten.

Forscher extrahierten DNA aus mittelalterlichen Skeletten

Das Team habe nur an rund einem Dutzend Positionen im Erbmaterial der Bakterien Mutationen - also Veränderungen in der DNA - finden können. "Zwischen Kind und Mutter gibt es mehr Unterschiede in der DNA als zwischen unserer mittelalterlichen Pest und heutigen Peststämmen", sagte der ursprünglich aus Leinefelde stammende Krause.

Das Erbmaterial der Jahrhunderte alten Bakterien hätten die Forscher aus den Skeletten von Pestopfern gewonnen, die im Mittelalter auf dem East Smithfield Friedhof in London begraben worden seien, erklärte Schünemann. "Dieser Friedhof ist deshalb so interessant, weil er der wohl am besten dokumentierte Pestfriedhof in ganz Europa ist", sagte die 31-Jährige.

Der Friedhof sei nur drei Jahre lang - nämlich zwischen 1348 und 1350 - benutzt worden. "Während der Pest starb ungefähr die Hälfte der Bevölkerung Londons und man musste die Leichen schnell bestatten", erklärte Schünemann. Daher sei die Wahrscheinlichkeit, dass man dort Pestopfer finde sehr hoch.

Das Museum of London habe in den späten 1980er-Jahren Skelette, die auf dem Friedhof bestattet worden seien, ausgraben lassen. Die Forscher untersuchten etwa 100 dieser Skelette. In fünf Individuen hätten sie größere Mengen der DNA des Pestbakteriums Yersinia pestis nachweisen können, sagte Schünemann.

Forscher "angelten" nach den DNA-Fragmenten

Dann begann eine komplizierte Arbeit für die Wissenschaftler. Denn nur ein winziger Teil des Erbmaterials, das die Forscher aus den Zähnen der Skelette extrahierten war die DNA des Pesterregers. Der größte Teil stamme von anderen Bakterien und Pilzen, die sich nach der Bestattung auf dem Körper des Toten angesammelt hätten, erzählt Krause. Etwa vier Prozent seien menschliche DNA und lediglich 0,0005 Prozent sei DNA des Pestbakteriums, das den Menschen tötete.

Um an diese DNA heranzukommen habe das Team eine Technik verwendet, die sich "molekulares Angeln" nennt. Ähnlich wie beim Angeln nach Fischen versuchten die Wissenschaftler das Erbmaterial des Pesterregers mit "Ködern" herauszufischen, sagte Krause. "Diese 'Köder' sind künstliche DNA-Fragmente", sagte Krause.

Dafür habe das Team Bruchstücke des Erbguts der heutigen Variante des Pesterregers verwendet. Diese Bruchstücke würden auf eine Glasscheibe aufgetragen. "Alle Fragmente, die eine Ähnlichkeit zu der DNA aufweisen, die sich auf der Glasscheibe befindet, bleiben hängen. Der Rest kann weggewaschen werden", erläuterte er. Aus den vielen verschieden Bruchstücken setzten die Wissenschaftler schließlich das Genom zusammen.

Das Thema Pest ist für Krause damit aber noch nicht abgeschlossen. "Wir wollen auch die menschliche DNA von Europäern vor und nach der Pestepidemie untersuchen", sagte Krause. Damit wolle er herausfinden, ob sich das Erbgut der Menschen, die den Schwarzen Tod überlebten, verändert habe.

(apd/das)
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