Bonn Enthauptung als Lachnummer: "Holofernes" in Bonn

Bonn · Das Theater Bonn gräbt die Oper "Holofernes" von Emil Nikolaus von Reznicek aus - und beerdigt sie gleich wieder.

Das ist die lustigste Enthauptung der Saison. Wenn die Bonner Judith sich über den selig schlummernden Holofernes hermacht, spritzt das Blut gleich dreimal meterhoch- und weit. Klar, Emil Klaus von Reznicek, der Komponist der Oper "Holofernes", die im Bonner Opernhaus den Reigen der verdienstvollen Wiederentdeckungen der vergangenen Jahre weitertanzt, langt bei der musikalischen Illustration der martialischen Szene ziemlich kräftig hin. Aber theatral derart überspitzt wird das auch nicht besser. Regisseur Jürgen R. Weber, der hier zuletzt Braunfels' "Der Traum ein Leben" sehr anständig inszenierte, findet die Partitur über die Hebbel-Adaption des alttestamentarischen Stoffes, die Reznicek als einer der vergessenen Protagonisten der Berliner Musikszene der 20er Jahre geschrieben hat, offenbar schwer verdaulich. Anders lässt sich die angerichtete Kostüm- und Ausstattungsorgie, die beherzt in die Fettnäpfe der Comic-Ästhetik langt, kaum erklären. Das Premierenpublikum bekam viel zu sehen, auch Erlesenes zu hören, allein: Sein Urteil fiel vernichtend aus. Das Buhkonzert taugte für einen handfesten Theaterskandal.

Nun, dies Format hat der Bonner "Holofernes" dann doch nicht. Denn im Grunde ist Rezniceks 90-Minuten-Oper harmlos. Die Musik zur Bibel-Geschichte ist bei aller Kraft und Farbigkeit im Grunde eine Lachnummer. Aus heutiger Sicht hat Reznicek sich ein Sammelsurium aus Stilen von Wagner bis Strauss zurechtgelegt und die Geschichte nach Art eines Stummfilm-Soundtracks ausgeschmückt. Dauernd dräut furchtbar die Tuba, die Geigen schluchzen, wenn's gefühlig oder überirdisch wird. Es ist ein unentwegtes Hin und Her. Vielleicht haben sich davon neben dem Regisseur auch Bühnenbildner Hank Irwin Kittel und Kostümbildner Kristopher Kempf hinreißen lassen, dem Fass den Boden auszuschlagen. Auf der Bühne israelitische Zombies in pittoresken Lumpen, die sehr bärtige Priesterschaft mit kopfgroßen Würfeln als Rangabzeichen; das Heer der Assyrer kommt in Lagen aus Pappmaschee daher; auf der Bühne türmen sich regalhafte Wohngebilde, tuchumhüllt und mit allerlei Absurditäten vollgestopft. Das Assyrer-Lager dominiert ein riesiger Kampf-Turm, der Mittelerde-Filmen zur Ehre gereichte. Gigantische Ziehbrücken überspannen später den Orchestergraben. Hier wird eine Christusfigur gekreuzigt, dort zucken Gepfählte auf deckenhohen Spießen von Grünewald'schem Format. Über den Prospekt und gespenstisch illuminiert daherfliegende Mega-Bananen und Würste flimmern Buchstaben und expressionistische Stummfilme, Clips von zerschnittenen Puppenkindern, sezierten Innereien, brennenden Erzgebirge-Engelchen. Die Welt taucht ein in glühend Rot.

Chor und Beethoven Orchester Bonn protzen unter dem neuen Chefdirigenten Jacques Lacombe mit Farben und dynamischen Extremen. Dabei ist die Partitur ungemein sängerdienlich. Mit Mark Morouse und Johanni van Oostrum sind die Hauptpartien glänzend besetzt, im sehr guten Ensemble hat die Altistin Ceri Williams als Magd Abra eine Rolle wie aus Alice im Wunderland. Verrückt.

Info Vorstellungen 2., 18., 24. Juni, 3. Juli. 100 Minuten, eine Pause. Karten unter 0228 77 80 08, www.theater-bonn.de

(RP)
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