Düsseldorf Emoticons – kleine Bilder, große Wirkung

Düsseldorf · Im Zeitalter der digitalen Kurznachrichten reichen Wörter oft nicht aus, um Gefühle auszudrücken. Deshalb nutzen immer mehr Menschen Emoticons. Forscher sehen in den vielfältigen Symbolen eine Bereicherung.

Der ganze Tag ein einziges Getippe. Mails, SMS, Twitter- und Facebook-Einträge. 26 Buchstaben hat der Mensch dafür zur Verfügung, aber oft wenig Zeit. Für kurze, sachliche Nachrichten sind Wörter ausreichend, doch wer in kleinen Kommentaren nicht nur Inhalt, sondern auch ein bestimmtes Gefühl vermitteln möchte, eine emotionale Ebene zwischen den Zeilen, stößt an seine Grenzen. Ein Text unter Kollegen wie "Könntest du diese Aufgabe für mich übernehmen? Du hast doch bestimmt eh nichts anderes vor" klingt erst mal so, als würden es die beiden keine zwei Sekunden zusammen in der Teeküche aushalten. Doch setzt der Absender einen Smiley dahinter, verändert sich die Tonalität.

Ein einziges Symbol schafft es, Ironie zu transportieren. Der Smiley, die Mutter der Emoticons ("Emotion" – Gefühl, "Icon" – Symbol), nimmt den Wörtern im Display ihre Kälte und ersetzt damit die nonverbale Kommunikation zweier Menschen, die einander gegenüberstehen und auf ihre Mimik und Körpersprache zurückgreifen können. "Die Entstehung von Emoticons wird in der Kommunikationsforschung als kreative Art und Weise gesehen, wie Menschen mit den Einschränkungen des Internets umgehen, um es trotzdem effizient für persönliche Beziehungen nutzen zu können", sagt die Sozialpsychologin Tina Ganster, die seit Jahren zum Thema Emoticons forscht.

Erfunden wurde das Zeichen vor 31 Jahren von Scott E. Fahlmann, Professor für künstliche Intelligenz an der Carnegie-Mellon-Universität in Pittsburgh. Ihm war aufgefallen, dass viele seiner Kollegen im universitätsinternen Online-Forum seine launigen Kommentare häufig falsch verstanden. Also erfand er das virtuelle Augenzwinkern. "Eines Tages sprang mir die Kombination :-) geradezu ins Gesicht" sagt er. Scottman schickte sie an die Mitarbeiter mit dem Hinweis. "Lest es seitwärts."

Seitdem hat der Smiley, bedingt durch die technische Revolution, einen weltweiten Siegeszug angetreten. Es gibt ihn in unzähligen Variationen, als zwinkerndes Gesicht, als weinendes Gesicht, als Gesicht mit Sonnenbrille. Allerdings hat er sich nicht in allen Kulturkreisen gleichermaßen durchgesetzt. In Japan benutzen die Menschen eine eigene Form der Emoticons, die so genannten Emojis. Sie hatten von Anfang an den Vorteil, dass man den Kopf nicht um 90 Grad drehen musste, um sie zu lesen. Ihr lachendes Gesicht ^.^ betont vor allem die Augen. Wissenschaftler führen das auf die traditionelle verbale Zurückhaltung der Japaner zurück.

Auch in China werden vor allem Emojis verwendet. In beiden Kulturen besteht schon die Sprache aus Zeichen, die ihrerseits auf Bilder und nicht auf Wörter zurückgehen. Darum ist die Zahl der Emojis weitaus größer als die der Emoticons, rund 700 werden täglich millionenfach verschickt, ständig kommen neue hinzu. Smartphones verfügen längst über ein üppiges Repertoire an bildlichen Kommunikations-Helfern.

Laut einer Untersuchung des Online-Netzwerks emojitracker.com, das in sämtlichen Tweets die benutzten Emojis registriert, sind es aber vor allem die Klassiker, die aus der Textnachricht eine emotionale Botschaft machen. So wurden allein im Juli dieses Jahres 73 Millionen rote Herzchen verschickt; es folgen Freudentränen (35 Millionen) und der Smiley (33 Millionen).

Für Peter Schlobinski, Sprachwissenschaftler an der Leibniz-Universität Hannover, sind Emojis nicht nur ein Weg, Gefühle zu transportieren, sondern auch eine Form von Pragmatismus im rasenden globalen Datenverkehr. "Es muss häufig schnell gehen. Emojis sind einfach und ökonomisch." Die Gefahr, dass der Gebrauch von Emojis zu einer Verkümmerung der Sprache führe, sieht er nicht. In knappen Online-Texten sei es nicht anders möglich, nonverbale Merkmale zu transportieren. Auch für Tina Ganster sind Emojis lediglich eine Ergänzung der Schriftsprache. "Sicherlich kann es sprachlich gewandter sein, sich ohne Emoticons auszudrücken, aber ob es falsch ist, sie zu nutzen, beantwortet das nicht. Es würde in der Regel ja auch niemand jemandem ein Lächeln offline als Faulheit vorwerfen." Übertreiben sollte man es mit den Bildchen allerdings nicht, sagt Ganster. "Eine unserer Studien hat gezeigt, dass die Nutzung eines einzelnen Tweets in einer beruflichen Mail noch positive Auswirkungen haben kann. Werden zwei verwendet, schlägt das um, und die schreibende Person wird negativ bewertet – vermutlich weil es einfach ,too much' ist."

(RP)
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