Bonn Düstere Zeiten für die Feldlerche

Bonn · Der neue Artenschutzreport prophezeit das Aussterben vieler Tiere auf unseren Feldern. Auch Hamster und Hase sind betroffen.

Es gehört zur Tragik vieler Tiere auf unseren Feldern, dass es sie einerseits hierzulande ohne den Bauern kaum gäbe. Denn im Wesentlichen nur dort, wo in Mitteleuropa Wälder gerodet wurden, um Äcker, Wiesen und Weiden zu schaffen, können manche Tierarten in großer Zahl leben. Doch gerade Landwirte sind es, die mit ihren Maschinen, ihren Pestiziden und ihrem Kunstdünger dafür sorgen, dass sogenannte Kulturfolger immer stärker zurückgedrängt werden. Dazu tragen auch Produktionszwänge bei, unter denen Bauern wirtschaften müssen.

Lapidar stellt das Bundesamt für Naturschutz (BfN) in Bonn heute in seinem Artenschutzreport fest: "Die größte Gefährdungsursache für die Arten ist die Landwirtschaft." Die Arten der offenen Agrarlandschaft "leiden fast alle", sagt die Landschaftsökologin Ruth Petermann vom BfN, so Rebhuhn und Kiebitz, aber auch viele Insekten und andere unauffällige Arten - ganz zu schweigen von Ackerkräutern wie dem Acker-Hahnenfuß oder dem hierzulande sehr selten gewordenen Sommer-Adonisröschen. Deutlich wird der Rückgang bei Tieren, deren Name verrät, dass sie auf Landwirtschaftsflächen leben: Feldhase, Feldlerche und Feldhamster.

Der ursprünglich aus Osteuropa stammende Feldhamster hat nicht nur unsere Kulturlandschaft, sondern auch unsere Alltagssprache bereichert: Zu Hamsterkäufen lassen Menschen sich hinreißen, wenn sie befürchten müssen, dass notwendige oder begehrte Güter bald knapp werden könnten. Dieses Horten ist typisch für den Feldhamster. Denn um den Winter zu überstehen, schafft er zur Haupterntezeit im Spätsommer und Frühherbst einige Kilogramm Futter in seinen metertiefen Bau. Er frisst gerne Hülsenfrüchte, Rüben und Maiskörner, Klee und Kartoffeln, aber auch die Blätter des Klatschmohns und andere Ackerkräuter - vorausgesetzt, er findet genug davon. Und das ist das Problem.

"Der Feldhamster hat das Pech, nicht in Schutzgebieten, sondern vor allem auf der bewirtschafteten Fläche in der Agrarlandschaft zu leben", sagt Ruth Petermann. Auch finde der Nager auf den von ihm bevorzugten Getreide-, Luzerne- und Rübenfeldern oft nicht mehr genug Futter, um überwintern zu können, denn die Landwirtschaft nutze die Felder zu effizient. "Es wird für den Hamster zu früh und häufig zu gründlich geerntet. Stoppelfelder werden meist rasch wieder umgepflügt", sagt die BfN-Expertin Petermann.

Im Idealfall könnte der Hamster pro Jahr dreimal Junge werfen, doch dazu bräuchte er genug Nahrung und Deckung zu seinem Schutz vor Mäusebussard, Wiesel, Iltis oder Rotfuchs. Da aber auf modernen Feldern wegen des vermehrten Anbaus von Mais und anderen Energiepflanzen verwertbares Futter und auch Brachflächen fehlen, auf denen er sich gut verbergen könnte, "wird er von Feinden rasch entdeckt und gefressen".

Dem gelbbraun und schwarz-weiß gemusterten Tier mit auffallend weißen Pfoten wird großflächig wohl nur ein Wandel in der EU-Agrarpolitik helfen können - hin zu einem extensiveren Anbau mit mehr Brachflächen und weniger Nutzungsdruck. Feldhamster-Schutzgebiete auszuweisen, wäre sehr schwierig, da der Nager in Deutschland auf fruchtbaren Böden vorkommt, die auch Landwirte gerne bestellen. Konflikte wären also programmiert.

Zunehmend bedroht ist auch die Feldlerche. Auffällig singend, steht das Lerchenmännchen dort in der Luft und zirpt oder trillert oft mehrere Minuten lang. Auch für die Feldlerche sind der Anbau von Mais und Raps und der Wegfall brachliegender Flächen ein Problem. Gerade der hoch aufragende und den Boden stark beschattende Mais bietet ihr keinen geeigneten Lebensraum. Weder findet sie hier genügend Nahrung - im Sommer Insekten, Spinnen, Würmer und kleine Schnecken, im Winterhalbjahr Samen, Keimlinge und neu austreibendes Blattgrün -, noch kann sie sich vor Feinden gut verbergen, weil die bodennahe Krautschicht in Maiskulturen durch das Spritzen von Herbiziden unterdrückt wird. Versprühte Insektizide gegen Maisschädlinge verringern zusätzlich das Nahrungsangebot, wobei Jungvögel auf tierisches Futter sogar angewiesen sind.

Spätestens, wenn eine Ackerfrucht den Boden zu 90 Prozent bedeckt, kann die Feldlerche dort nicht mehr überleben, weil sie höchstens noch in Traktorspuren oder auf Feldwegen Nahrung findet. Auch das Auffliegen und Landen in Mais- und Rapskulturen ist für den Vogel nur schwer möglich.

Ohnehin ist die Feldlerche auf höchstens 25 Zentimeter hohen, gerne auch lückenhaften Bewuchs von Kräutern und Gräsern angewiesen, um ihre Jungen aufzuziehen. Die Eier legt das Weibchen in eine Mulde, die es in möglichst nackten Boden scharrt. Nicht umsonst gefallen dem Vogel steppenartige, allenfalls mit Buschwerk durchsetzte Graslandschaften, wie sie in Deutschland zum Beispiel ehemalige Truppenübungsplätze bieten, die offengehalten werden, indem Schafe sie beweiden.

Da wesentliche Lebensvoraussetzungen der Feldlerche immer seltener erfüllt sind, "ist ihr Bestand seit 1990 um knapp die Hälfte zurückgegangen", sagt Ruth Petermann. Paradiesisch für den Vogel mit der aufstellbaren Haube wären bereits Brachflächen, die ein bis zwei Jahre nicht bearbeitet werden, extensiv genutzte Dauerweiden. Auch eigens unbestellte Flecken - etwa zwei von zwanzig Quadratmetern pro Hektar Acker - können den Bruterfolg des Vogels spürbar steigern. Der Naturschutzbund NABU nennt diese sogenannten Lerchenfenster "Landebahnen im Getreide-Dschungel".

Schließlich wäre es auch für den Feldhasen "von Vorteil, in unserer Agrarlandschaft den Anteil des Brachlandes wieder zu erhöhen und störungsfreie Bereiche mit guter Deckung zu schaffen", urteilt Petermann. Denn nicht das Agrarland an sich sei ja das Problem für den Hasen oder andere Tiere der Feldlandschaft, sondern dessen zu intensive Bearbeitung "nach dem Aufkommen einer hochindustriellen Landwirtschaft".

(RP)
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