Big Brother für Erdmännchen Die Steppenmafia schlägt zu

Düsseldorf (RP). Eigentlich zählen Erdmännchen zu den sozialsten Säugetieren der Welt. Doch das Bild der possierlichen Pelztierchen täuscht: Um die Herrschaft ihrer Clans zu sichern, schikanieren und töten sie sogar Familienmitglieder.

Huhu, wir sind die neuen Erdmännchen!
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Als Flower stirbt, sind die Zuschauer nicht mehr zu halten. Fassungslos rufen sie beim Sender "Animal Planet" an und verlangen eine Erklärung. Warum hat keiner der Kameramänner eingegriffen, als eine Kobra die beliebte Erdmännchendame aus der Doku-Serie "Meerkat Manors" (zu deutsch: "Gut Erdmann") tot biss?

Die Produzenten der britischen Fernsehdoku, die in Big-Brother- Manier das Leben einer Erdmännchenkolonie in der südafrikanischen Kalahari-Wüste weltweit in über 160 Länder überträgt, sind ebenso traurig wie verwundert. Dass die Natur sich nun einmal nicht um das Drehbuch einer Wüsten-Seifenoper schert, scheint das entsetzte Publikum nicht zu interessieren: Erdmännchen sind niedlich, clever und witzig. Erdmännchen dürfen nicht den grausamen Serientod sterben.

Brilliant organisiertes Kollektiv

Mit dem wahren Leben und Überleben der kleinen Scharrtiere in den Halbwüsten und Steppen Afrikas hat das freilich nichts zu tun. Dabei hat die Natur sie taktisch gut auf ihre unwirtliche Wohngegend vorbereitet: Schwarze Augenringe halten das gleißende Sonnenlicht ab, ihre Ohren sind gegen Wüstensand verschließbar, und mit den scharfen Krallen können sie auf einmal soviel Erde wegschaufeln wie sie selbst wiegen. Doch noch etwas sichert den nur 30 Zentimeter großen Erdmännchen das Überleben: ein brillant organisiertes Kollektiv. Ähnlich wie in einem Bienenstaat hat jedes der 20 bis 40 Tiere eines Clans in der Hierarchie einen klaren Platz. Und eine Aufgabe.

So kümmern sich Männchen und Weibchen als Babysitter gemeinsam um die Aufzucht der Jungen. Verlassen die Kleinen nach etwa sechs Wochen zum ersten Mal den Bau, zeigt ihnen ein erwachsenes Tier die wichtigsten Lektionen des Erdmännchen-Alltags: Graben, jagen, wachen. Der Wächter hat in der Kolonie eine wichtige Aufgabe. Wühlen die Beutesucher der Gruppe am Boden nach kleinen Vögeln, Insekten oder einem delikaten Skorpion, steht er mit erhobenen Pfoten kerzengrade auf einer Anhöhe und späht nach Feinden.

Davon gibt es einige: Die vegetationsarmen Steppen und Wüsten bieten Raubvögeln freie Sicht, im Gras lauern Löwen und Schakale. Um sich zu warnen, bellen, quieken und schreien Erdmännchen scheinbar diffus vor sich hin. Doch Forscher haben herausgefunden, dass vor allem der Wächter fein nuancierte Alarmstufen ausruft: Je nachdem, ob sich ein Löwe oder ein Adler nähert und wie groß die Gefahr ist, ändert er den Ton. Ertönt ein spitzer Schrei, heißt es: Nichts wie weg in die nächste Höhle!

Kilometerlange Gänge als Versteck

Den Großteil ihrer kilometerlangen unterirdischen Gänge nutzen die Erdmännchen als Versteck, nur wenige als Wohn- und Schlafbau. Einige teilen sie mit Mungos und Erdhörnchen, in sehr seltenen Fällen auch mal mit einer Schlange. Benimmt sich der Untermieter schlecht, bekommt er es mit der ganzen Gruppe zu tun: Dann attackieren die Pelztiere den Feind mit ihren nadelspitzen Zähnen oder rotten sich zu einem zappelnden, schaurig bellenden Fellknäuel zusammen, um ihn zu verunsichern. Gemeinsam sind sie stark.

Doch das idyllische Bild der tierischen Solidargemeinschaft täuscht: Erdmännchen leben in straff organisierten Clans nach eisernen Regeln. Das beginnt schon beim Jagen: Jeder frisst für sich allein. Teilen ist nicht vorgesehen. Wie lange ein Tier überlebt, hängt aber auch von seinem Rang ab. Und den muss es sich hart erkämpfen — oder sich unterordnen. Wer nicht spurt, fliegt raus.

Einmal verstoßen, ist das Leben ohne das schützende Kollektiv ein harter Kampf — vor allem für die Weibchen. In den matriarchalisch geprägten Clans sind sie als Konkurrenz ungern gesehen. Das Männchen ist besser dran: Oft kann es sich einem anderen Stamm oder einer wandernden Gruppe anschließen. Irgendwann wird aus dem losen Verbund ein Clan — und das Männchen mit etwas Glück der Partner des Alphaweibchens.

Als Chefin ist sie nicht nur größer und stärker als die anderen Tiere, sondern hat auch mehr Testosteron im Blut. Nur sie darf Nachwuchs gebären — und pocht darauf. Ist sie trächtig, stresst sie andere Weibchen des Clans so sehr, dass deren Fruchtbarkeit sinkt oder sie Fehlgeburten erleiden. Die Kinder ihrer Schwestern oder Töchter tötet die dominante Dame meist sofort — wenn es andere Clans nicht schon getan haben. Es sind diese mafiösen, blutigen Bandenkriege, die der stärksten Gruppe das Überleben sichern. Gar nicht niedlich.

(RP)
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