Die späte Rückkehr des Blumenkinds

Folk Linda Perhacs ist 75 Jahre alt, und die wunderbare Platte "I'm A Harmony" ist erst das dritte Album, das sie in rund 50 Jahren vorlegt. Die amerikanische Sängerin hat eine der eigenwilligsten Künstlerbiografien der Pop-Geschichte. In den späten 1960er Jahren arbeitete sie in Kalifornien als Zahntechnikerin, und einer ihrer Patienten war der zweifach Oscar-gekrönte Komponist Leonard Rosenman. Sie erzählte ihm, dass sie Musik mache, und er lud sie zu sich ins Studio ein.

Folk Linda Perhacs ist 75 Jahre alt, und die wunderbare Platte "I'm A Harmony" ist erst das dritte Album, das sie in rund 50 Jahren vorlegt. Die amerikanische Sängerin hat eine der eigenwilligsten Künstlerbiografien der Pop-Geschichte. In den späten 1960er Jahren arbeitete sie in Kalifornien als Zahntechnikerin, und einer ihrer Patienten war der zweifach Oscar-gekrönte Komponist Leonard Rosenman. Sie erzählte ihm, dass sie Musik mache, und er lud sie zu sich ins Studio ein.

Es entstand ein legendäres Album: "Parallelograms" erschien 1970 und bietet an Joni Mitchell erinnernden Hippie-Folk, der immer wieder ins Psychedelische ausgreift. Perhacs brach die Songstrukturen auf, sie huldigte den Klangforschungen von Ligeti und Stockhausen. Das Album wurde jedoch kein Hit, und Perhacs zog sich zurück. Erst nach der Jahrtausendwende entdeckten Künstler wie Daft Punk und Animal Collective die vergessene Großtat des verschwundenen Hippiemädchens.

"Parallelograms" erlebte eine heftig bejubelte Neuauflage, und Perhacs nahm durch den späten Erfolg ermutigt 44 Jahre nach der ersten Platte ein neues Album auf, das indes dem Vorgänger noch stark verpflichtet war und von der irren Geschichte dieser Musikerin lebte. Inzwischen sind weitere drei Jahre vergangen, und Linda Perhacs bringt ihr von allen Zuschreibungen befreites drittes Album heraus. "I'm A Harmony" ist ein sonnendurchflutetes Werk in bester Hippietradition.

Sie singt von der Erde, dem Wetter und der Zwischenmenschlichkeit, und weil sie manchmal so übermäßig glücklich ist, ruft sie einfach "Joy, Joy, Joy!". Die Musikerin Julia Holter reichert den Sound mit meditativer Elektronik an, Mitglieder der Band Wilco sowie Devendra Banhart unterstützen sie, und das Ergebnis ist angenehm arglos im Habitus und dabei doch ambitioniert und raffiniert arrangiert. Der Titelsong etwa nimmt nach einigen Minuten eine andere Färbung an, entwickelt sich von einem luftigen Liedchen zur formlosen Improvisation.

Kosmisch. Frei. Im ursprünglichen Sinn schön. Man kehrt gereinigt aus dieser Musik in die Welt zurück. Philipp Holstein

(RP)
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