Wissen der Zukunft Die Erforschung der Volkskrankheiten

Greifswald (RP). Wissenschaftler der Universität Greifswald untersuchen, warum Menschen krank werden. Sie erheben von 8000 Probanden jeweils mehr als eine Million Datensätze. Eine neue Medizin wird durch die einzigartige Studie möglich: die individualisierte Therapie.

Daran erkrankten die Düsseldorfer im Jahr 2007
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Daran erkrankten die Düsseldorfer im Jahr 2007

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Foto: Thomas Busskamp

Mecklenburg-Vorpommern hat ein Problem: Gallensteine. Nur ein Indianerstamm in Chile verzeichnet mehr Gallen-Erkrankungen als die Menschen um Greifswald und Stralsund. Sie sterben auch früher als andere und sind dicker als der Rest der Republik. "Selbst die Bayern können da nicht mithalten", sagt Henry Völzke (40), Leiter der Bevölkerungsstudie "Study of Health in Pomerania" (SHIP). Er und sein Team sehen Mecklenburg-Vorpommern daher als ideale Modell-Region für das außergewöhnliche Projekt SHIP.

Die Studie ist breiter aufgestellt als alle bisherigen Gesundheitstests weltweit. In zwei Durchgängen sind mehr als 3000 Probanden seit 1997 bereits untersucht worden. Im März 2008 startete die dritte Runde mit zusätzlichen 5000 Testpersonen. Sie alle erleben einen Untersuchungs-Marathon in Greifswald. Sie kommen für zwei Tage in die Stadt, beantworten Fragen zur persönlichen Lebenssituation, machen ein EKG, ein Ganzkörper-MRT, gehen zum Zahn- und Hautarzt. Auch ein Ultraschall der Halsschlagadern, der Schilddrüse, der Arm-Arterien gehören dazu, und die DNA jeder Testperson wird auf einem Genchip untersucht.

Ziel ist es, die Zusammenhänge von Vererbung, Lebensweise und Umwelteinflüssen für die Entstehung von Krankheiten besser zu verstehen. Pro Person werden daher mehr als eine Million Daten erhoben. Sie sollen den Weg in die "individualisierte Medizin" bereiten. Das heißt, dass Therapien auf den Einzelfall abgestimmt werden.

Dafür werden 60 Mitarbeiter in Greifswald beschäftigt. "Zurzeit läuft das MRT-Gerät zehn bis zwölf Stunden am Tag. Wir sind auch auf die Wochenenden eingerichtet", sagt Völzke. Ein wichtiger Zusammenhang, den sein Team bereits herausgefunden hat: Die Fettleber fördert eine Verkalkung der Halsschlagader. Bis vor wenigen Jahren galt eine übermäßige Einlagerung von Fett in der Leber noch als unbedeutender Zufallsbefund. Heute weiß man: "Menschen mit Fettleber verursachen im Gesundheitswesen rund 26 Prozent höhere Kosten als Menschen ohne diesen Befund", so Völzke. Er wies bei jeder fünften Testperson in Mecklenburg-Vorpommern eine behandlungsbedürftige Fettleber nach.

(RP)
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