Ausstellung in Dresden Der Rassenwahn der Nazis

Dresden (RP). Im Namen der Medizin haben die Nationalsozialisten behinderte Menschen gequält und systematisch ermordet. Das Deutsche Hygienemuseum in Dresden zeigt eine Ausstellung zum Thema - und gibt den Opfern ein Gesicht.

Ein abgedunkelter, gefliester Raum. Vor grauen Kacheln hängen, von kleinen Lichtern erhellt, Bilder von Kindern. Es sind Opfer: Die Jungen und Mädchen wurden von den Nationalsozialisten ermordet, weil sie unheilbar krank waren oder als "lebensunwert" eingestuft wurden. Um die Ecke steht, in einer eigenen Nische, ein altes, verschrammtes Metallbettchen, wie es in der Zeit des Dritten Reiches in einer Anstalt hätte stehen können.

Installationen wie diese sind derzeit in der Ausstellung "Tödliche Medizin. Rassenwahn im Nationalsozialismus" im Deutschen Hygienemuseum Dresden zu sehen. Sie stammen aus dem "United States Holocaust Memorial Museum" in Washington. Einen Vertrauensbeweis und eine Verpflichtung zugleich nannte es Museumsdirektor Klaus Vogel, dass diese große Ausstellung nach Dresden vergeben wurde. Denn das Hygienemuseum selbst hat Thesen der Rassenlehre vertreten - 1911 in Ausstellungen zum Thema Eugenik. "Das Museum war eine Täterinstitution", sagte Vogel.

Knapp hundert Jahre später geht es in der aktuellen Ausstellung vor allem darum, den Opfern ein Gesicht zu geben. Dazu wechseln in der Schau, die in Washington binnen zwei Jahren mehr als 700.000 Menschen gesehen haben, immer wieder die Perspektiven.

Die erste Station, ein paar Jahre nach dem ersten Weltkrieg, zeigt, dass Theorien und Propaganda zu "Volksgesundheit" und "Erblehre" nicht von den Nationalsozialisten stammen, sondern von diesen übernommen wurden. Dies belegen Fotos aus psychiatrischen Anstalten und ein Pamphlet eben des Dresdener Hygienemuseums "Gesunde Frau, Gesundes Volk".

In der weiteren Ausstellung, die nach fünfjähriger Forschungsarbeit entstand, ist dann ein beständiger Wechsel zu sehen zwischen relativ nüchternen Texten und erschreckenden Schaustücken: ein Holzstuhl, der die Probanden zum Geradesitzen zwang, Haarproben in einem Metallhalter, Geräte zur Augenbestimmung, Maßzirkel für Menschenköpfe. Mit solchen Gerätschaften bestimmten Ärzte nach selbstgesetzten Maßstäben, welches Leben "lebenswert" sein sollte, welches nicht.

Aber die Schau zeigt auch, dass unter den Nazis über "Rassenhygiene" nicht nur hinter verschlossenen Labortüren gesprochen wurde. Plakate stellten "gesunde" Menschen solchen mit Defekten gegenüber.

Die Ausstellung zeigt, dass Überlegungen zur "Volksgesundheit" nicht nur in Deutschland angestellt wurden, sie verdeutlicht aber auch, wie gerade der Weg in Deutschland von der Eugenik über die Euthanasie bis zum Holocaust führte. So wurden zwischen 1939 und 1945 mehr als 5000 Kinder in so genannten "Kinderfachabteilungen" von Ärzten oder Pflegern ermordet, in Dresden sind Bilder von Tätern und Opfern zu sehen. Seit 1939 entstanden so genannte "Euthanasie-Zentren", in denen unheilbar kranke Menschen getötet wurden. Ein alter Rollstuhl und ein Arbeitshandschuh aus einem Krematorium sind hier als Symbole ausgestellt.

Die von Susan Bacharach kuratierte Schau zeigt Räume mit sehr unterschiedlichen Stimmungen: Ein heller Bereich zeigt Zeichnungen von Patienten, die Dokumente zum KZ-Arzt Josef Mengele sind auf kalten, weißen Fliesen angebracht. Fast versteckt, auf einem kleinen Monitor, läuft ein erschreckendes Dokument: Wie mit einem Polizeiauto, durch Schläuche mit einem Haus verbunden, eine Art Gaskammer ausprobiert wurde - mit psychisch Kranken als Opfern.

Am Ende der Ausstellung, in der auch Interviews mit Zeitzeugen zu sehen sind, steht ein Gesichtsabdruck. Er wurde einem 16-jährigen Jungen als "Rassemodell" abgenommen; der Junge überlebte den Holocaust. Dass die Ausstellung zum Rassenwahn im Nationalsozialismus nicht nur aus historischen Gründen in Dresden am richtigen Ort ist, betonte Klaus Vogel. In Zeiten, wo die Rechtsextremen im sächsischen Landtag und in Stadträten vertreten seien und sich eine Neonazi-Szene fest etablieren konnte, sei eine solche Ausstellung besonders wichtig. Sie sei keine Erziehungsanstalt, aber man hoffe, besonnene junge Menschen damit anzusprechen.

Die Ausstellung "Tödliche Medizin" ist noch bis zum 24. Juni nächsten Jahres im Deutschen Hygienemuseum zu sehen. Deutsches Hygienemuseum, Lingnerplatz 1, Dresden. Geöffnet Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr. Telefon: 0351 /4846 0.

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