Serie Top 10 Der Architektur Im Rheinland (5) Das Schloss der Spiegelungen

Symmetrie ist im Düsseldorfer Schloss Benrath auf die Spitze getrieben. Seine beiden Flügel sind spiegelbildlich angelegt. Auch im Zentralgebäude herrscht dieses Prinzip. Zudem spiegelt sich das Ensemble in zwei Weihern.

Düsseldorf Symmetrie war in der Baukunst immer dann das Stilmittel der Wahl, wenn es darum ging, auf eine höhere Ordnung zu verweisen. Kein Wunder also, dass sich auch das Barock als Zeitalter des Absolutismus gern mit Spiegelungen umgab. Schloss Benrath in Düsseldorf ist dafür ein Paradebeispiel. Dem Hauptgebäude gliedern sich rechts und links spiegelbildlich angelegte sogenannte Kavalierflügel an, Wirtschaftsgebäude mit Stallungen also, und wer das zentrale Gebäude im Inneren erkundet, kommt vor lauter Spiegelungen aus dem Staunen kaum noch heraus.

Baumeister Nicolas de Pigage (1723-1796), ein in Paris ausgebildeter Lothringer, hat für die Düsseldorfer Residenz des Kurfürsten Karl Theodor von der Pfalz ganze Arbeit geleistet. Der Kunstgriff, dass sich das Schloss in Weihern auf der Empfangs- und der Parkseite spiegelt, war da noch die leichteste Übung. Das Raffinement seiner Entwürfe offenbart sich vor allem in den zahlreichen Scheintüren, die er dem Gebäude aus Gründen der Symmetrie verpasst hat. Denn wenn er irgendwo eine Tür plante, zu welcher der Grundriss keine symmetrische Entsprechung bot, erfand er als optisches Gegengewicht eine Tür, die nur so tat, als wäre sie eine. Spätestens beim Griff auf die Klinke erweisen sich diese Türen als Illusion.

Ebenso illusionär ist die Anmutung der Geschosse. Äußerlich geben sich nur zwei Etagen zu erkennen, von zwei Lichthöfen aus dagegen fällt der Blick auf vier Geschosse zuzüglich Keller. Hinter den hohen Herrschaftsräumen verbergen sich niedrige Garderoben und Bäder sowie Zimmer für Kammerdiener und Zofen.

Nur in den Herrschaftsräumen kommt die Symmetrie ins Spiel. Der westliche Teil des Schlosses diente als Appartement des Kurfürsten, den östlichen bewohnte seine Gemahlin, Kurfürstin Elisabeth Auguste. In beiden lassen Spiegel den Raum größer erscheinen, als er ist. Allein das Treppenhaus weicht vom Prinzip der Symmetrie ab.

Im Schlafsaal der Kurfürstin trifft man auf einen Türtypus, den man als Gegenteil einer Scheintür bezeichnen kann: eine Tapetentür. An einer Stelle, an der aus Gründen der Symmetrie keine Tür sichtbar sein darf, eröffnet ein nicht gekennzeichneter Durchgang den Weg ins Kabinett. Dort pflegte sich die Kurfürstin an Genussmitteln zu laben, die damals noch neu in Mitteleuropa waren: Tee, Kaffee und Schokolade.

Herrscht im Zimmer der Dame die Farbe Blau vor, so ist es in den Räumen des Herrn Rosa. Warum? Weil damals Rot die Farbe des Herrschers war, Blau dagegen diejenige der Damen - verkehrte Welt im Vergleich zur Gegenwart mit ihren blau gewandeten männlichen Babys und ihren rosafarbenen Mädchen.

All das erfährt man, wenn man in obligatorisch übergestreiften Filzpantoffeln unter fachkundiger Leitung einen Rundgang durch das Gebäude unternimmt - mit Blick auf die Gartenanlagen, die selbstverständlich wiederum eine Fülle von Symmetrien enthalten. Auch dies weiß die Führungskraft zu erzählen: Die steinernen Löwen, die auf der Terrasse zwischen Gebäude und Park lagern, haben ihre Pfoten deshalb übereinandergeschlagen, weil sie sich in einer Sommerresidenz befinden. Und dort ging es traditionsgemäß friedlich zu.

So kommt eins zum anderen. Die Details fügen sich in barockem Sinne zu einem Gesamtkunstwerk, wie es Baumeister Pigage auch anderenorts entwarf. Als Kurpfälzischer Gartendirektor wirkte er bei der Errichtung der Residenzen in Mannheim und Schwetzingen mit; am Mannheimer Schloss oblag ihm die Errichtung des Ostflügels.

In Benrath hatte er nahe einem Grund gebaut, den zuvor ein anderes Schloss zierte: die 100 Jahre zuvor errichtete Residenz des Kurfürsten Johann Wilhelm von Pfalz Neuburg, genannt Jan Wellem. Er nutzte das Gebäude mit seiner zweiten Gemahlin Anna Maria Luisa de' Medici als Sommerfrische. An den ursprünglichen Bau erinnert heute nur mehr ein Gemälde von Jan van Nikkelen, das man im Nachfolgeschloss bewundern kann. Es war im Stil des Barocks gehalten, während der heutige Bau den Übergang zu Rokoko und Klassizismus markiert.

Kurfürst Karl Theodor hat, wie es heißt, seinem Benrather Anwesen nur zwei Besuche abgestattet. Als er überraschend Bayern erbte, nachdem die bayerische Linie der Wittelsbacher ausgestorben war, verlegte er seine Residenz von Mannheim nach München. Da war Düsseldorf für ihn nur noch eine schöne Erinnerung.

(RP)
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