Düsseldorf Daft Punk lässt Maschinen singen

Düsseldorf · Das neue Album des Electro-Duos ist eine faszinierende Synthesizer-Oper.

 Treten stets unter Robotermasken auf: Daft Punk aus Paris.

Treten stets unter Robotermasken auf: Daft Punk aus Paris.

Foto: Sony

Dieses Lied bringt seine Hörer so nah an die Seligkeit wie Pop es eben kann: "Get Lucky" heißt die aktuelle Single des Elektronik-Duos Daft Punk. Nile Rodgers von der Band Chic ("Le Freak") spielt als Gast Gitarre, und für den Gesang wurde Pharrell Williams vom amerikanischen HipHop-Produzenten-Team The Neptunes engagiert. Der singt genau genommen gar nicht, sondern flüstert laut, oder besser: er schmeichelt. Wer die Anfangszeilen hört, wird sie jedenfalls nicht mehr aus dem Kopf bekommen: "Like the legend of the Phoenix, all ends with beginnings / What keeps the planets spinning, the force from the beginning." Das ist der Hit der Stunde, Platz eins in den Charts, Rekordquoten bei den Streamingdiensten.

Hört man das zugehörige Album, dürfte die Verblüffung groß sein: "Random Access Memories" ist eine faszinierende und unglaublich ambitionierte Platte, dabei aber arg voraussetzungsvoll. Daft Punk gibt es seit 1994, das gigantische Album "Discovery" von Thomas Bangalter und Guy-Manuel de Homem-Christo revolutionierte 2001 von Paris aus die Dance-Musik. Und spätestens seit Kanye West 2007 den Song "Harder, Better, Faster, Stronger" für seinen Titel "Stronger" sampelte, spürt man den Einfluss der Franzosen, die stets unter Robotermasken auftreten, im globalen Mainstream: Dance ist härter geworden, Künstlichkeit wird nicht mehr kaschiert, sondern herausgestellt.

Die ersten drei Alben von Daft Punk waren digitale Sampling-Orgien, Archivgeburten. Auf der vierten Platte zitieren sie ihre musikalischen Helden und Ahnen nun nicht mehr, sie imitieren sie. Sie fügen der Vergangenheit, aus der sie sich bedienten, ein Werk aus der Gegenwart hinzu – sie geben gewissermaßen zurück. Daft Punk spielen die meisten Stücke live im Studio ein, sie bitten einen Kinderchor dazu sowie Musiker, die schon in Produktionen von Sting, Chic und Michael Jackson zu hören waren. "Random Access Memories" ist eine Verbeugung vor dem Sound der späten 70er und frühen 80er Jahre. Ein Pastiche. Der Schriftzug auf dem Cover ist dem von Michael Jacksons "Thriller" nachempfunden. Und auf einem Stück darf die italienische Produzentenlegende Giorgio Moroder neun Minuten lang ihr Leben erzählen, während im Hintergrund eine Daft-Punk-Komposition läuft, die stark an Moroders Stück "The Chase" von 1978 erinnert.

Vor allem wer musikalisch in den 80er Jahren sozialisiert wurde, dürfte an diesem Album seine Freude haben. Das ist eine Synthesizer-Oper, ein Fanzine für Freunde des gepflegten Zuviel. Daft Punk fürchten sich nicht vor Kitsch und Trash, sie stellen Instrumental-Stücke, die klingen, als kämen sie geradewegs aus der Orgel von Klaus Schulze, neben synthetischen Fusion-Jazz und Soul-Songs, die von verliebten Maschinen gesungen werden. Die Platte ist ein Spiel. Aber womöglich ist sie ein bisschen zu belesen, um als Soundtrack für den Sommer zu funktionieren.

(RP)
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