CO2-Filter Treibhausgas in Dünger verwandeln

Düsseldorf · Bisher versuchen viele Staaten, den Ausstoß von Kohlendioxid zu verringern. Doch es gibt auch andere Ideen für den Umgang mit den schädlichen Treibhausgasen: Sie zu verwerten zum Beispiel.

 Blick auf die Auspuffrohre eines Diesel-Pkw.

Blick auf die Auspuffrohre eines Diesel-Pkw.

Foto: Hendrik Schmidt

Die Unterzeichnerstaaten bei der Klimakonferenz in Paris haben sich ein großes Ziel gesetzt: Sie wollen die Erwärmung der Atmosphäre durch das Treibhausgas Kohlendioxid möglichst auf 1,5 Grad begrenzen. Doch die Umsetzung rückt in weite Ferne, nachdem US-Präsident Donald Trump das Abkommen aufgekündigt hat. Doch selbst ohne die Absage der USA droht die Vereinbarung zu scheitern. Denn Elektroautos oder der Ausbau alternativer Energien reichen längst nicht aus, damit die Erwärmung der Erdatmosphäre auf unter zwei Grad begrenzt werden kann. Zu diesem übereinstimmenden Ergebnis kommen mehrere aktuelle Studien. „In den Klimaverhandlungen geben die Politiker zwar gerne immer ambitioniertere Ziele aus – doch die konkreten Handlungen bleiben weiter dahinter zurück“, klagt Jan Minx vom Mercator Research Institut on Global Commons and Climate Chance“ bei der Vorstellung einer Studie des MCC.

Bei der Berechnung möglicher Wege bis zum Zwei-Grad-Ziel spielen in fast allen Modellen sogenannte negative Emissionen eine wachsende Rolle. Gemeint sind Technologien, die nicht nur den Ausstoß von Kohlendioxid vermeiden, sondern die Menge des Treibhausgases in der Atmosphäre aktiv verringern. Doch der Einsatz dieser Verfahren werde „aktuell in der Politik kaum diskutiert“, ergänzt Minx. Der Leiter der MCC-Arbeitsgruppe für angewandte Nachhaltigkeitsforschung sieht – wie viele andere Experten – eine große Lücke im Dialog zwischen Wissenschaft und Politik. Auch der wissenschaftliche Beirat der Europäischen Akademien befürchtet, dass das Zwei-Grad-Ziel verfehlt wird, weil die Technologie für Negative-Emissionen zu spät marktreif werde. Der Dachverband der europäischen Forscher sieht einen täglich wachsenden Bedarf. Je länger die Staaten der Welt für eine deutliche Reduzierung der CO2-Emissionen benötigt, desto größer wird die CO2-Hypothek, die es aufzuarbeiten gilt.

Denkbar wäre ein globales Programm zur großflächigen Aufforstung, denn schnell wachsende Pflanzen wie Pappeln oder Elefantengras nehmen während des Wachstums viel CO2 auf. Doch sehr wahrscheinlich wird sich eine solche grüne Lösung wegen des großen Flächenbedarfs nicht durchsetzen. Zudem würde der Klimaschutz in Konkurrenz zum Anbau von Lebensmitteln treten. Deshalb werden wohl Ingenieure mit neuen Ideen den Weg zu negativen Emissionen ebnen müssen.

Zwei Pilotenanlagen dazu laufen schon seit mehr als einem Jahr fehlerfrei. In der kanadischen Provinz British Columbia pumpen die Techniker der Firma Carbon Engineering Luft durch ein Gemisch aus Wasser und Kaliumhydroxid, das das Kohlendioxid bindet. Im Schweizer Städtchen Hinwil hat die Firma Climeworks 18 Ventilatoren aufgebaut, die Luft durch ein raffiniertes Filtersystem saugen. 900 Tonnen des Treibhausgases sollen jedes Jahr auf der Oberfläche der Filter haften bleiben. Beide Anlagen sind noch viel zu klein für einen Effekt auf die CO2-Bilanz. Noch geht es darum, die Technologie während des längeren Betriebs zu testen.

Carbon Engineering hat inzwischen eine Machbarkeitsstudie vorgelegt. Demnach kalkuliert das Unternehmen die Kosten für die Entfernung von einer Tonne Kohlendioxid zwischen 80 und 200 Euro. Auch Climeworks hat angekündigt, dass ihre Anlage für etwa 100 Dollar (85 Euro) pro Tonne CO2 wirtschaftlich arbeiten könnte. Das ist ein deutlicher Fortschritt gegenüber der letzten größeren Studie aus dem Jahr 2011. Damals schätzte die Amerikanische Physikalische Gesellschaft die Kosten für den Einsatz der Luftfilter noch auf 600 Dollar pro Tonne Treibhausgas. Denkbar wäre es, dass der Verursacher für den Klimaschutz zahlt. Nach der Berechnung von Carbon Engineering müsste dazu beispielsweise der Preis für den Liter Sprit um etwa 20 Cent steigen.

Dennoch bleibt die Frage, wie das Treibhausgas sinnvoll entsorgt werden kann, nachdem es gesammelt wurde. Denn beide Verfahren binden das CO2 nicht dauerhaft. Bei Climeworks werden die Filter erhitzt, wenn sie voll sind; eine Gärtnerei in der Nähe kauft das freiwerdende Kohlendioxid und verwendet es als Dünger. In einem Pilotprojekt auf Island lösen die Schweizer Ingenieure das CO2 in Wasser auf und pressen es 700 Meter tief in poröse Gesteine. Im Basaltgestein bilden sich dadurch Karbonate, in denen das Kohlendioxid dauerhaft gebunden wird.

Zahlreiche Forschungsprojekte untersuchen die Speicherung von Treibhausgasen in Gesteinen, dennoch sind die Kapazitäten zur Endlagerung beschränkt. Der Gedanke liegt nahe, das Treibhausgas als Rohstoff zu verwenden: Kohlendioxid als Basis-Chemikalie für die Industrie. Das könnte der Königsweg auf dem Weg zum Zwei-Grad-Ziel werden. Massenprodukte wie Kunststoff oder Sprit aus CO2 würden nicht nur das Klima schonen, sondern gleichzeitig die Abhängigkeit vom Erdöl verringern. Der Chemie-Riese Covestro hat in Leverkusen ein Verfahren entwickelt, das Kohlendioxid in ein Polymer einbaut, aus dem Schaumstoff für Matratzen erzeugt werden kann.

Sowohl Climeworks als auch Carbon Engineering bauen bereits die ersten Anlagen, die Treibstoff für Verbrennungsmotoren produzieren. Sie verwenden dabei eine Elektrolyse, die bei Zusatz von Wasserstoff Kohlenwasserstoffe liefert, die im Dieselmotor verbrannt werden können und sauberere Abgase zurücklassen. Das Verfahren dazu, die Fischer-Tropsch-Synthese, ist schon einige Jahrzehnte bekannt, scheiterte aber bisher an der fehlenden Wirtschaftlichkeit. Unter dem Druck des sich abzeichnenden Klimawandels und der steigenden CO2-Menge in der Atmosphäre könnte sich die alte Technik bald rentieren. Der hohe Bedarf an zusätzlichem Strom müsste aber aus erneuerbaren Quellen kommen, sonst wird die Kohlendioxid-Bilanz der Sprit-Produktion zu einem Problem.

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