Kolumne Studentenleben Ein Hoch auf die zeitgenössische Musik

Unser Autor vermisst in den Konzerthäusern die Musik der Gegenwart. Werke, die erst vor wenigen Jahren komponiert wurden, fristen vielerorts noch immer ein Nischendasein. Warum sich das seiner Ansicht nach dringend ändern muss und wie dies gelingen könnte.

 Luis Küffner studiert Musik und Medien an der Robert-Schumann-Hochschule in Düsseldorf.  Foto: privat

Luis Küffner studiert Musik und Medien an der Robert-Schumann-Hochschule in Düsseldorf. Foto: privat

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Jedes Mal, wenn ich ein Konzerthaus besuche, überwältigt mich der übermäßig große Anteil von klassischer Musik im Konzertkalender. Damit meine ich, dass große Namen wie Bach, Beethoven, Mozart und weitere dort

einfach überrepräsentiert sind. Ihre Musik ist unangefochten von hohem künstlerischem Wert und verdient es, weiterhin gespielt zu werden. Ich verstehe jedoch nicht, warum zeitgenössische klassische Musik, die also in der Gegenwart oder etwa in den letzten 50 Jahren komponiert wurde, von Konzerthäusern immer noch als ein Nebenprodukt gehandhabt wird. Gleiches gilt für elektroakustische Musik, die noch weniger Einzug in die Konzerthallen findet. All das hat zur Folge, dass die Öffentlichkeit solche Musik als etwas Extraordinäres wahrnimmt und nicht als selbstverständlich betrachtet.

Dabei hat diese Musik so viel zu bieten. Allein wegen ihres unmittelbaren Aktualitätsbezugs hat sie einen enorm hohen Wert für unsere Gesellschaft und das Zusammenleben. Auch in Bezug auf ihre Geschlechter, Identitäten und Kulturen ist sie, wenn auch noch nicht vollständig, weitaus diverser als dies unter den altbekannten Komponisten der Fall ist. Zudem warten diese vielfältigen und neuen Qualitäten nur darauf, von den Menschen entdeckt und geliebt zu werden. Ich bin fest davon überzeugt, dass viele unterschätzen, wie sehr zeitgenössische Musik als Inspiration, Wahrnehmungserweiterung und ganz allgemein als hochwertige ästhetische Ressource dienen kann. Wieso also diese Nicht-Beachtung? Ohne Zweifel ist es in der zeitgenössischen Musik ein Problem, dass sie nicht die Aufmerksamkeit bekommt, die sie verdient. Das hat für verschiedene Menschen verschiedene Gründe: Einmal wäre da für manche der hohe Grad an Abstraktion der Musik selbst. Würden Konzerthäuser zeitgenössische Stücke mehr in ihren Alltag integrieren, so würde das Berührungsängste vermindern. Genauso erhalten Komponisten und Komponistinnen seit Ewigkeiten die standardmäßige A-B-Konzertsituation – also Musiker und Musikerinnen hier, das Publikum dort. Für mich erstarrt darin eine sonst so lebendige Musik. Sie muss deshalb an andere Orte und zu den Menschen hin aufbrechen, um zu überleben.

Auch wenn das nur eine grobe Aufzählung ist, wird deutlich, dass sich diese Dinge verändern müssen. Man merkt schnell, dass sich viele dieser Faktoren gegenseitig verstärken. Klar gibt es Menschen und Konzepte, die versuchen diesen Missstand aufzubrechen. Sie sind aber bisher eine Minderheit. Es braucht eine breite Initiative aller Involvierten, damit zeitgenössische Musik ihre verdiente Selbstverständlichkeit in unserem Kulturleben erfährt.

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