Kolumne Studentenleben Die neue Unverbindlichkeit, Teil II

Unser Autor knüpft an das Thema der vergangenen Woche an: Mit ironischem Blick schaut er auf lauter lästige Pflichten und den permanenten Druck, immer und zu allem eine Meinung haben zu müssen.

 Joshua Poschinski studiert Germanistik und Politikwissenschaften in Düsseldorf an der HHU.

Joshua Poschinski studiert Germanistik und Politikwissenschaften in Düsseldorf an der HHU.

Foto: Poschinski

Leicht verkatert sitze ich Sonntag Nachmittag in einem Café und warte auf die Antwort eines Kumpels. Wir sind zum Kaffee verabredet, dachte ich zumindest. Ein Banner ploppt nach zwanzigminütigem Warten auf meinem Telefon auf: „Wo steckste?“, fragt er, und ich ignoriere erst mal eine volle Zigarettenlänge was da steht, weil ich anfange mit der Bedienung zu flirten. Irgendwann melde ich mich bei besagtem Freund, gebe ihm aber keine klare Antwort – ist ja auch gerade ein bisschen viel Verantwortung, denke ich. Ich warte noch eine Weile darauf, ob sich nicht etwas Spannenderes ereignet, mir könnte zum Beispiel Thomas Gottschalk über den Weg laufen, sich zu mir an den Tisch setzen und mich damit zulabern, wieso er weiterhin gerne Zigeunerschnitzel sagen möchte. Das passiert natürlich nicht, aber ich meine: Wer weiß? Alles ist möglich.

Während ich meinen Kumpel weiterhin warten lasse, fällt mir auf, dass ich mich noch nicht bei meiner Dozentin gemeldet habe, die seit Tagen versucht mich zu erreichen. „Sehr geehrter Herr Poschinski, möchten Sie an dem Vertiefungsseminar soundso nun teilnehmen oder nicht?“, ich würde den Platz für andere Studierende blockieren. Ich finde das auch etwas viel Verantwortung jetzt, ich meine, das ist ihre dritte Nachricht in vier Tagen, kann die sich mal entspannen? Kann sie mir nicht ein bisschen Zeit geben, damit ich mich mental darauf vorbereiten kann, eine E-Mail zu verfassen? Der Druck stresst mich, wie soll ich da eine Entscheidung fällen.

Meine Chefin ruft an, beim dritten Mal hebe ich gezwungenermaßen ab. Telefonieren, wie ätzend. „Willst du hier heute noch auftauchen, oder was wird das?“ Ich sage ihr, dass sie sich mal entspannen soll, es gehe ja hier nicht um Leben und Tod. Sie versteht's gar nicht, keine Ahnung wieso, schreit mich an, und als wir auflegen, habe ich keinen Job mehr. Ganz schön fies, dass so am Telefon zu machen.

Thomas Gottschalk ist immer noch nicht aufgetaucht, also schreibe ich meinem Kumpel: „Joo, sorry, voll vercheckt, haha war beschäftigt. Lass gleich connecten.“ Als Antwort kriege ich prompt ein „Leck mich!“, und das finde ich dann schon ein bisschen hart. Ich glaube ich muss mich erst mal hinlegen, meine Gefühle sind verletzt.

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