Zwischen den Zeilen

Wahr und zugleich wohlwollend soll das Arbeitszeugnis sein. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) schon vor über 40 Jahren gefordert. Aus diesem Spagat ist die Geheimsprache der Arbeitgeber entstanden: Einerseits sollen sie eine richtige Beurteilung abgeben, andererseits darf das dem Ex-Mitarbeiter nicht die Zukunft verbauen. Kritische Äußerungen sind so kaum möglich. Stattdessen verwenden Arbeitgeber eine gut klingende Formulierung, die Kenner sofort als Kritik verstehen.

"Er war wegen seiner Geselligkeit beliebt" etwa ist der Hinweis auf einen Schluckspecht, der andere von der Arbeit abhielt. "Er hat sich immer bemüht, die ihm übertragenen Aufgaben zu erfüllen" wiederum identifiziert einen völligen Versager. Manche Arbeitgeber übertreiben mit der Kritik. Andere verwenden unabsichtlich Formulierungen, die in Personalabteilungen als negativ gewertet werden. Dagegen kann sich ein Arbeitnehmer nur schützen, indem er den Inhalt genau prüft. Wer ungerecht beurteilt wurde, hat einen Berichtigungsanspruch.

Während im einfachen Zeugnis, auch Arbeitsbescheinigung genannt, nur Angaben über Art und Dauer der Beschäftigung enthalten sind, sollte ein qualifiziertes Arbeitszeugnis darüber hinaus folgenden Inhalt haben: Tätigkeitsbeschreibung, Leistungsbeurteilung, Verhaltensbeurteilung, Schlussformel. Bei der Leistungsbeurteilung haben sich Standardformulierungen herausgebildet, die in Noten übersetzt werden können. Zufriedenheit bedeutet eine Drei, volle Zufriedenheit eine Zwei, vollste Zufriedenheit eine eins. Das Wort "stets" macht deutlich, dass der Mitarbeiter konstant diese Leistung erbracht hat. Fehlt "stets" bedeutet das eine Abwertung.

Generell ist laut Rechtsprechung von einem befriedigenden, durchschnittlichen Mitarbeiter auszugehen. Meint der Arbeitnehmer, er sei besser oder schlechter als befriedigend gewesen, muss er das darlegen und beweisen (BAG, Az: 9 AZR 12/03). Beim übrigen Zeugnisinhalt kommt es oft mehr darauf an, was nicht gesagt wurde. Wenn es etwa in einem Job sehr auf Stress-Belastbarkeit ankommt, so ist es unzulässig, wenn dazu nichts im Zeugnis nichts steht (Az: 9 AZR 632/07). Die Reihenfolge von Aussagen spielt ebenfalls eine Rolle: Wird etwa erst das Verhalten gegenüber Kollegen erwähnt, dann das Verhalten gegenüber Vorgesetzten, wird das als Hinweis für Probleme mit Vorgesetzten verstanden.

(RP)
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