Nach PISA kommt IGLU Zündstoff für Bildungspolitik

Hamburg (rpo). Nachdem die PISA-Studie ein katastrophales Bild der weiterführenden Schulen in Deutschland gezeichnet hat, hoffen deutsche Bildungpolitiker jetzt, dass wenigsten ín den Grundschulen die Welt noch in Ordnung ist. Das wird IGLU zeigen.

Nach PISA werden jetzt mit Spannung die Ergebnisse des internationalen IGLU-Grundschultests in Deutschland erwartet. Von IGLU wird Antwort auf die Frage erhofft, "ob die Welt in der Grundschule noch in Ordnung ist oder schon dort die Probleme bestehen", sagt der Leiter des deutschen nationalen Projektmanagements der Lesestudie, Professor Wilfried Bos (Hamburg). Die 15-jährigen deutschen Schüler hatten bei der internationalen PISA-Studie miserabel abgeschnitten. Erste IGLU-Teilergebnisse geben dagegen durchaus Anlass zur Hoffnung.

Bei IGLU kam weltweit bei rund 147.000 Grundschülern in 35 Staaten die Lesekompetenz und das Verständnis von Texten auf den Prüfstand. Die Ergebnisse der "Internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung" gelten als ein fehlender Mosaikstein im Gesamtbild des deutschen Bildungssystems mit seinen gravierenden Schwächen.

Eine grundsätzliche Zäsur

Nach vorab bekannt gewordenen Ergebnissen liegen deutsche Viertklässler im oberen Mittelfeld und schneiden damit besser ab als ihre Mitschüler aus der neunten Klasse. Falls das zutrifft und bei der offiziellen Präsentation der Studie am 8. April bestätigt wird, dürften viele Bildungsforscher folgern: Die deutsche Schulmisere beginnt eigentlich erst nach der vierten Klasse.

Dabei ist zu bedenken, dass mit dem Ende der Grundschulzeit auch eine grundsätzliche Zäsur in Deutschland erfolgt. Zunächst werden alle Grundschüler jeglicher sozialer und kultureller Herkunft gemeinsam in der Regel vier Jahre lang in einer heterogenen Klasse unterrichtet. Dann werden die Zehnjährigen ausgelesen und - mit dem Ziel möglichst homogener Klassen - auf die verschiedenen Schulformen verteilt. Nur in Deutschland und Österreich ist die gemeinsame Schulzeit so kurz. In den meisten europäischen Ländern lernen die Schüler sechs, acht oder neun Jahre gemeinsam.

Ein ungewohntes Bündnis

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) erkennt in der frühen Auslese einen Hauptgrund für schlechte Schüler-Leistungen und die starke Abhängigkeit des Schulerfolgs von der sozialen Herkunft. Sie fordert deshalb eine neue politische Debatte über die Schulstruktur. Hier bahnt sich ein ungewohntes Bündnis an: Auch die Unternehmensberatung McKinsey & Company sieht in der frühen Selektion den größten Reformbedarf. Und der Baden-Württembergische Handwerkstag schreibt zu Konsequenzen aus PISA: "Kinder brauchen Lernanreize. Es ist mehr als fraglich, ob Selektion hierzu einen positiven Beitrag leistet."

Eine andere Auffassung allerdings vertritt der deutsche IGLU- Projektleiter. Bos hält einen neuen Streit um "Pro und Contra Gesamtschulen" für verfehlt. "Die in den vergangenen 30 Jahren geführte Diskussion um Schulorganisation und Schulform ist vollkommen überschätzt worden", sagt er. "Schulorganisation und Schulform sind lange nicht so relevant wie angenommen. Ausschlaggebend ist vielmehr der konkrete Unterricht." Um guten oder schlechten Unterricht auf die Spur zu kommen, schlägt er Videoaufzeichnungen in Klassenzimmern vor.

Möglicherweise würde er dabei vor allem in der Grundschule guten Unterricht und "tolle" Lehrkräfte aufspüren. Nach Angaben der GEW stößt die Grundschule auf hohe Akzeptanz. In einer Umfrage gaben die meisten Eltern an, ihre Kinder gingen gern zur Grundschule und würden dort weder unter- noch überfordert. Die Grundschullehrer genössen auch das größte Vertrauen der Eltern. Die Leistungen der Grundschule sind umso bemerkenswerter, als sie im internationalen Vergleich und im Vergleich zur Sekundarstufe unterfinanziert ist und nahezu die Hälfte aller Lehrkräfte älter als 50 Jahre ist.

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