Lust am Promovieren ungebrochen Zahl der verliehenen Doktortitel bleibt stabil

Berlin · Für die Doktorarbeit reicht es, bei anderen abzuschreiben - diesen Eindruck haben die jüngsten Plagiatsaffären erweckt. Aber Promovieren ist ein dickes Brett. Inzwischen ist der Weg zum Doktortitel noch steiniger geworden.

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Die Entscheidung für eine Doktorarbeit will gut überlegt sein. Schließlich mutet man sich ein erhebliches Arbeitspensum zu und legt sich für mehrere Jahre fest. Viel Geld gibt es in der Zeit in der Regel auch nicht - wenn überhaupt. Promovieren im digitalen Zeitalter und in einer global vernetzten Wissenschaftswelt ist noch komplexer geworden. Und nach den Plagiatsaffären, die so manchen den Doktortitel kosteten, schauen die Universitäten im Zweifelsfall noch strenger hin.

Im vergangenen Jahr Doktortitel 25 600 mal verliehen

Die Lust am Promovieren scheint aber ungebrochen groß. Nach den Zahlen des Statistischen Bundesamtes haben die Hochschulen in Deutschland im vergangenen Jahr den Doktortitel 25 600 Mal verliehen. Auf diesem Niveau bewegen sich die Zahlen seit langem, im Jahr 2000 etwa waren es 25 780. "Der Wert ist relativ stabil", sagt Steffen Jaksztat, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Hochschulinformationssystem HIS in Hannover. Doch die Plagiatsaffären um Politiker, denen der Titel schließlich aberkannt wurde, haben dem Ruf der Promotion nicht gutgetan.

Den früheren Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg oder Silvana Koch-Mehrin, Vizepräsidentin des Europaparlaments, kostete das Plagiieren das Amt. Danach gab es für manche Doktoranden dumme Sprüche: "'Ihr schreibt doch alle nur ab' - das haben einige zu hören bekommen", sagt Diana Ebersberger vom Promotionszentrum der Universität Bremen.

"Die Vorwürfe haben aber dazu geführt, dass man sich mehr mit der Qualität der Promotionsvorhaben beschäftigt, auch bei uns", sagt Ebersberger. "Und es stellte sich die Frage, wie sich wissenschaftliches Fehlverhalten verhindern lässt. Die Antwort ist gute Betreuung."

Strengere Prüfung der Doktorarbeiten nach Plagiatsaffären

Die Plagiatsfälle haben die Diskussion um schärfere Kontrolle und strengere Regeln für Promotionsverfahren an vielen Hochschulen angestoßen. Die Humboldt-Universität (HU) in Berlin etwa, die rund 500 Promotionen im Jahr und 5000 angemeldete Promotionsverfahren zählt, hat neue Leitlinien für den Weg zum Doktortitel verabschiedet - unter anderem die Regel, dass Doktorarbeiten in elektronischer Form einzureichen sind, damit der Text leichter auf Plagiatsstellen überprüft werden kann.

"Es gibt durch die Diskussionen bereits eine erhöhte Sensibilität", sagt Prof. Lutz-Helmut Schön, Direktor der Graduate School der HU. Promovieren ist aber aus vielen Gründen alles andere als einfacher geworden. "Der Druck auf die Doktoranden hat zugenommen, sich an der Lehre zu beteiligen", sagt Prof. Schön. "Und auch der Druck, kürzer zu promovieren. Stipendien zum Beispiel sind inzwischen zeitlich in der Regel sehr befristet, fast immer auf drei Jahre." Dem kann der Physiker durchaus etwas abgewinnen: "In drei bis vier Jahren sollte man mit der Promotion auch fertig sein."

Doktorandenanteil der Humanmediziner mit 4 Priózent eher gering

Insgesamt arbeiteten im Wintersemester 2010/2011 an den deutschen Hochschulen rund 200 400 Doktoranden an ihrer Promotion. Ganz vorne lagen mit einem Anteil von 29 Prozent die Mathematik und die Naturwissenschaften. Auf Platz zwei folgten die Ingenieure (22 Prozent) vor den Sprach- und Kulturwissenschaftlern (19 Prozent) und den Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlern (18 Prozent). Obwohl der "Doktor" am ehesten mit den Ärzten in Verbindung gebracht wird, war der Anteil der Humanmedizin einschließlich Gesundheitswissenschaften mit 4 Prozent eher gering.

Für Prof. Schön ist eine intensive wissenschaftliche Neugier an einer Fragestellung, die noch nicht bearbeitet wurde, Voraussetzung für jedes Promotionsvorhaben. Allerdings bleibe nur der kleinere Teil der Promovierten in der Wissenschaft, sagt Steffen Jaksztat. Etwa jeder Zehnte strebe eine akademische Karriere an, ergänzt Prof.
Schön. "Für die meisten finden sich anderswo auch verlässlichere Perspektiven." Denn in der Wissenschaft ist die Doktorarbeit nur der erste Schritt - und die Habilitation, bis heute die klassische Voraussetzung für die Berufung auf eine Professur an der Uni, ein noch viel dickeres Brett.

(dpa)
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