Studium Wie man ohne Abi an die Uni kommt

Düsseldorf · Nordrhein-Westfalen liegt deutschlandweit in der Spitzengruppe bei Studenten ohne Abitur.

Studium: Wie man ohne Abi an die Uni kommt
Foto: Ferl

Wer studieren will, muss Abitur haben - eine Ewigkeit galt dieser Grundsatz für alle, die einen Hochschulabschluss anstrebten. Doch seit die europäische Bologna-Reform das Aus für Abschlüsse wie Diplom und Magister bedeutete, gilt auch das Prinzip "Aufstieg durch Bildung". Heißt: Von jedem Bildungsniveau aus muss ein höheres erreicht werden können. Und so haben sich ab 2009 auch die deutschen Bundesländer dazu verpflichtet, ihre Hochschulen für Menschen ohne Abitur zu öffnen.

"Die Daten zeigen, dass man auch ohne Abitur erfolgreich studieren kann. Entgegen aller negativen Prognosen hat sich die Zahl der Hochschulabsolventen, die über den beruflichen Weg ins Studium gelangt sind, in den zurückliegenden Jahren kontinuierlich gesteigert", sagt Sigrun Nickel, Leiterin Hochschulforschung beim CHE Centrum für Hochschulentwicklung. Das Centrum hat gerade eine aktuelle Studie zu dem Thema durchgeführt.

Die Zahl der Studierenden ohne allgemeine Hochschul- und Fachhochschulreife in Deutschland hat mit rund 51.000 einen neuen Höchststand erreicht. Der überwiegende Teil absolviert ein Bachelorstudium. Die Länder mit dem höchsten Anteil an Studienanfängern ohne Abitur sind Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Berlin. "Jedes Bundesland hat individuelle Regelungen für ein Studium ohne Abitur", sagt Sigrun Nickel. In NRW steht Meistern und Fachwirten - also denjenigen mit hochqualifizierenden Fortbildungsabschlüssen - jedes Studium an jeder Hochschule offen. So kann ein Tischlermeister Geschichte und Germanistik ebenso studieren wie eine Finanzfachwirtin Maschinenbau. "Beruflich Qualifizierte mit einer mindestens zweijährigen Berufsausbildung müssen mindestens weitere drei Jahre Berufspraxis mitbringen und können nur in einem fachlich entsprechenden Bereich studieren - ein Krankenpfleger beispielsweise im Sozial- oder Gesundheitswesen", sagt Nickel.

Wer ein fachfremdes Hochschulstudium beginnen möchte, hat in NRW auch die Möglichkeit, an einer Zugangsprüfung teilzunehmen oder, in nicht zulassungsbeschränkten Studiengängen, alternativ ein Probestudium aufzunehmen. "Grundsätzlich sollte man sich von der Hochschule beraten lassen, an der man studieren möchte", sagt Nickel. "Denn beim Studium ohne Abitur gilt: Jeder besitzt andere Voraussetzungen. Und es ist zudem auch wichtig, sich klarzumachen, was es bedeutet, plötzlich auf akademischem Niveau zu lernen."

Es gebe Hochschulen, die Einstiegskurse und Vorbereitungsseminare für Studenten ohne Abitur anbieten. "Beispielsweise, um Menschen aus der Berufspraxis ans wissenschaftliche Arbeiten heranzuführen", sagt Nickel. Gerade weil sie oft schon lange Zeit im Beruf und auf das Geld angewiesen sind, entscheiden sich laut CHE-Studie viele Studenten ohne Abitur für ein Fernstudium. "So kann man im Job bleiben und muss auch seinen Lebensmittelpunkt nicht in eine Hochschulstadt verlegen", sagt Sigrun Nickel. Daher ist die Hochschule, die bundesweit die meisten Erstsemester ohne hochschulische Zugangsberechtigung aufweist, die Fernuniversität Hagen (16,5 Prozent). Damit hat sie auch einen wesentlichen Anteil an dem überdurchschnittlichen Abschneiden von NRW in puncto Studium ohne Abitur. 2015 nahmen dort mehr als 2000 beruflich Qualifizierte ein Studium auf.

Grundsätzlich sind bei den Studierenden ohne Abitur die Fachhochschulen beliebt. Hier finden sich derzeit mit insgesamt rund 29.000 bundesweit die meisten beruflich Qualifizierten. Dabei steht für Studierende ohne Abitur eindeutig der Bachelorabschluss im Vordergrund. "Bemerkenswert ist, dass es bereits 24 weiterbildende Masterstudiengänge in Deutschland gibt, für die weder ein Abitur noch ein Bachelor-Abschluss erforderlich ist", sagt Sigrun Nickel. "Diese Angebote richten sich an beruflich Hochqualifizierte beispielsweise mit Erfahrung in einer Führungsposition."

Bei der Fächerauswahl entscheiden sich mehr als die Hälfte aller Studienanfänger ohne Abitur für die Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (54,1 Prozent), gefolgt von den Ingenieurwissenschaften (19,5 Prozent) und Medizin bzw. Gesundheitswissenschaften (10,7 Prozent). Letztere boomen: "In diesem Bereich findet gerade grundsätzlich eine Akademisierung statt, das spricht auch Menschen ohne Abitur an", sagt Sigrun Nickel.

Und sogar ein Medizinstudium ist ohne Abitur möglich: Die zentrale Vergabestelle Hochschulstart zieht dann Noten aus Aus- und Weiterbildungen und die Wartezeit heran. "Auch NC-Fächer stehen Studenten ohne Abitur offen", betont Sigrun Nickel. "Es lohnt sich, bei der Wunsch-Hochschule gezielt nachzufragen."

(RP)
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