Interview: Martin Paul Studieren nach Maastrichter Art

Der aus dem Saarland stammende Präsident der Universität Maastricht setzt auf das niederländische Modell des "problembasierten Lernens": Studenten arbeiten in kleinen Gruppen an der Lösung vorgegebener Probleme.

Interview: Martin Paul: Studieren nach Maastrichter Art
Foto: dpa

Maastricht Martin Pauls Büro liegt in einem historischen Sakralbau. Seine Universität ist gerade als eine der besten jungen Hochschulen Europas gekürt worden - und wegen ihrer internationalen Ausrichtung bei deutschen Studenten überaus beliebt. Die Uni Maastricht sorgt in Europa für Furore, und Martin Paul (56) steht als Präsident an ihrer Spitze.

Warum sollte ein junger Niederländer ausgerechnet an der Universität Maastricht studieren?

Paul Vor allem, weil wir viele Studiengänge anbieten, die nicht allein auf den niederländischen, sondern auf den europäischen Arbeitsmarkt gerichtet sind - zum Beispiel International Business, die European Law School, European Studies, European Public Health und viele mehr. Dies unterscheidet uns von vielen anderen niederländischen Hochschulen, wobei bei uns alle Studiengänge mit wenigen Ausnahmen auf Englisch angeboten werden. Niederländer aus allen Teilen des Landes finden gerade diese internationale Schiene ganz spannend.

Warum sollte ein junger Deutscher nach Maastricht kommen?

Paul Im Prinzip aus ganz ähnlichen Beweggründen, aber auch, weil sich unser Lehr- und Lernsystem sehr signifikant vom System in Deutschland unterscheidet. Wir sind Pioniere auf dem Gebiet des problembasierten Lernens. Das ist eine Methode, bei der wir in allen Studiengängen und Fächern Studierende in kleinen Gruppen interagieren lassen, um konkrete Probleme zu lösen. Das unterscheidet sich sehr von den sogenannten Massenstudiengängen und dem Frontalunterricht, die wir oft in Deutschland vorfinden. Es ist kein Konsumentenlernen, wo vorne ein Dozent steht und erzählt, und alle anderen hören zu. Bei uns werden die Studierenden aufgefordert und stimuliert, mit ihrer Expertise an der Lösung eines Problems mitzuarbeiten. Deutsche Studierende entscheiden sich gezielt für dieses System, obwohl wir im Gegensatz zu Deutschland dafür Studiengebühren verlangen und die Studenten sich an eine andere Kultur anpassen müssen.

Warum gehen deutsche Universitäten diesen Weg nicht?

Paul Unser Vorteil ist, dass wir noch eine relativ junge Universität sind. Wir werden in zwei Jahren gerade einmal 40 Jahre alt sein. Und meine Vorgänger haben diese Universität auf das Lehrmodell des problembasierten Lernens hin gezielt konstruiert, während in Deutschland oftmals die Lehre auf traditionellen Methoden gewachsen ist, und diese umzustellen, ist im Nachgang sehr aufwändig. Zweitens: Wir in Maastricht befassen uns auch wissenschaftlich mehr mit der Lehre und mit Lernsystemen. Wie wir Lehre verbessern können, ist bei uns daher auch ein großes Forschungsthema, dessen Ergebnisse ständig in den Lernprozess implementiert werden.

Wie müssen wir uns diese Lehre in Zukunft bei Ihnen vorstellen?

Paul Die Digitalisierung des Lehr- und Lernprozesses ist ein wichtiges Element. Als ich studiert habe, habe ich Bücher gelesen und die Vorlesungen und Seminare besucht. Heute haben die Studenten viel mehr Variationsmöglichkeiten, Online-Seminare, Social Media und vieles mehr. Damit müssen wir uns nun auch in Maastricht beschäftigen.

Sie waren vorher in Berlin. Haben sich Ihre Erwartungen an Maastricht erfüllt?

Paul Ja, auf jeden Fall. Berlin ist sicher eine größere Stadt, aber ich finde die Lebensqualität in Maastricht nicht schlechter, und die Berliner Hochschulpolitik ist immer stark parteipolitisch überlagert. Das ist in den Niederlanden anders.

Sie sprechen die Einflussnahme von Politik an. In NRW ist das gerade ein heikles Thema. Verfolgen Sie dies?

Paul Ja, ich verfolge das sozusagen über den Zaun. Das ist eine Debatte, die es immer gibt: Wie gestalte ich das Verhältnis zwischen Staat und Universität? Natürlich ist es so - in Deutschland wie auch in den Niederlanden -, dass die Steuerzahler für die Hochschulen zahlen, und dafür ist es erforderlich, dass den Vertretern der Steuerzahler - der Regierung - erlaubt sein muss, Einblicke in die Vorgänge in den Hochschulen zu erhalten. Das Gesetz in Nordrhein-Westfalen ist für mich aber ein Schritt, die Autonomien der Universitäten einzuschränken.

THORSTEN KARBACH FÜHRTE DAS INTERVIEW.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort