"Entscheidender Wendepunkt" Studiengebühren von 2.500 Euro erwartet - Goppel: Ärmere müssen Verzicht üben

Düsseldorf (rpo). Nachdem das Bundesverfassungsgericht das Verbot von Studiengebühren für nichtig erklärt hat, rechnet der Chef des Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Klaus Zimmermann, dass sich die pro Semester zu entrichtende Gebühr mittelfristig bei 2.500 Euro einpendeln wird. Die derzeit diskutierten 500 Euro sollten auch für ärmere Studenten kein Problem sein, heißt es aus Bayern - sie müssten halt Verzicht üben.

Studiengebühren: So machen's die anderen
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"Klar ist, dass die 500 Euro pro Semester, die derzeit diskutiert werden, nur ein Einstieg sein können", sagte Zimmermann dem "Handelsblatt". Auf die Dauer sei das viel zu wenig, um den Universitäten Anreize zu geben, ihre Studenten als Kunden zu betrachten. Er rechne damit, dass ein Studiengang an einer durchschnittlichen deutschen Universität in fünf Jahren etwa 2.500 Euro pro Semester kosten werde.

Zimmermann begrüßte die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Mittwoch, die es den Ländern künftig ermöglicht, bereits für ein Erststudium Gebühren zu erheben.

"Das Urteil markiert einen entscheidenden Wendepunkt für die deutsche Bildungspolitik", sagte Zimmermann. Die Entscheidung des Gerichts öffne die Tür für mehr Wettbewerb im Hochschulwesen. Das sei die entscheidende Voraussetzung dafür, dass die deutschen Universitäten international konkurrenzfähig werden könnten.

"Jeden Monat für hundert Euro auf etwas verzichten"

Studiengebühren von rund 500 Euro pro Semester sind aus Sicht der bayerischen Staatsregierung auch für ärmere Studenten problemlos ohne Kredite zu finanzieren.

Die Betroffenen müssten lediglich "jeden Monat für hundert Euro auf etwas verzichten oder zwei Nachhilfestunden geben", schlug Wissenschaftsminister Thomas Goppel (CSU) in der Münchener "Abendzeitung" vor. Bei guten Studenten könnten die Universitäten im Einzelfall die Gebühren auch erlassen oder stunden, meinte er.

Goppel sagte, Bayern werde den Universitäten eine Ober- und Untergrenze für die Studiengebühren vorgeben. Wenn der Startschuss tatsächlich zum kommenden Wintersemester falle, werde der Semester-Betrag aber voraussichtlich unter 500 Euro liegen. Goppel versicherte, die Einnahmen würden komplett den Universitäten zu Gute kommen, damit die Lehrkonditionen und die Ausstattung verbessert werden könnten. "Dafür verbürg' ich mich."

KMK-Präsidentin: Teure Unis werden bevorzugt

Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Johanna Wanka (CDU), prognostizierte, dass Studenten in Deutschland mittelfristig jene Universitäten bevorzugen würden, die Studiengebühren erheben werden. "Zunächst werden die Studenten noch an die Hochschulen gehen, wo es billig ist. Das wird sich aber umkehren, wenn das Billige keine gute Qualität mehr hat", sagte Wanka der "Berliner Zeitung" vom Donnerstag. "Die Tendenz geht dahin, dass die Universitäten, die jetzt auf Dauer auf Studiengebühren verzichten, Probleme mit der Finanzierung haben werden."

Die kostenpflichtigen Universitäten würden aber nur attraktiv, wenn die Einkünfte aus den Studiengebühren direkt an die Hochschulen gingen und die staatlichen Zuschüsse nicht abgesenkt würden, sagte Wanka.

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hatte das von der rot-grünen Koalition auf Bundesebene erlassene Verbot von Studiengebühren für das Erststudium aufgehoben, weil der Bund damit in die Gesetzgebungskompetenz der Länder eingegriffen habe.

SPD-Länder wollen nur landesfremde Studierende zur Kasse bitten

Nach der Aufhebung des Studiengebührenverbots überlegen SPD-geführte Länder, den befürchteten Ansturm auf ihr Gratis-Studium mit "Landeskinder-Klauseln" abzuwehren. Der rheinland-pfälzische Wissenschaftsminister Jürgen Zöllner kündigte für sein Land am Donnerstag in Berlin bereits an, das gebührenfreie Erststudium nur Landeskindern zu ermöglichen, wenn andere Länder Gebühren einführten. Unterdessen sind bereits Semestergebühren bis 2.500 Euro im Gespräch.

Die schleswig-holsteinische Wissenschaftsministerin Ute Erdsiek-Rave (SPD) kündigte im NDR Gespräche mit allen Bundesländern an, die ebenfalls keine Studiengebühren einführen wollen, um einen massenhaften Wechsel von Studenten an gebührenfreie Universitäten zu verhindern. "Diese Wanderungsbewegung können wir in beliebiger Höhe nicht verkraften", sagte sie und verwies auf die Überlegungen in Rheinland-Pfalz, eine Landeskinderklausel einzuführen.

Entsprechende Überlegungen wurden auch aus Bremen bekannt. Die nordrhein-westfälische Wissenschaftsministerin Hannelore Kraft (SPD) allerdings bezweifelte die Rechtmäßigkeit solcher Regelungen und sprach sich für ihr Land für die Einführung eines Numerus clausus aus, sollte die Nachfrage die jetzt 460.000 Studienplätze übersteigen.

(afp)
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