Forscher des Wissenschaftszentrums Studiengebühren schrecken nicht ab

Berlin · Zu einem erstaunlichen Ergebnis sind die Forscher des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) gelangt. Ihre Studie zum Effekt von Studiengebühren zeigt: Die Pflicht, Gebühren zu zahlen, mindert nicht die Studierneigung.

Fragen und Antworten zur Finanzierung des Studiums
Infos

Fragen und Antworten zur Finanzierung des Studiums

Infos
Foto: AP

Studiengebühren liefern Gegnern und Befürwortern nach wie vor Zündstoff für hitzige Diskussionen. Ein Argument der Gegner lautet, dass die Zusatzkosten Studienberechtigte vom Studium fernhalten — erst recht, wenn ihre Eltern keine Akademiker sind. Doch die neue WZB-Studie entkräftet diese Aussage. Sie zeigt: Studiengebühren halten Studierwillige nicht vom Gang an die Hochschule ab.

Die Analysen der Wissenschaftler Tina Baier und Marcel Helbig belegen, dass sich in den Bundesländern mit einem kostenpflichtigen Studium durchgängig kein negativer Effekt der Studiengebühren auf die Studierneigung gezeigt hat. "Das hat natürlich auch uns überrascht", sagt Helbig, "schließlich hat man ja noch die großen Demos der vergangenen Jahre gegen die Gebühren vor Augen."

Studiengebühren steigern Ertragserwartungen

Ausgangspunkt für die Untersuchung sei eigentlich eine Studie für das NRW Wissenschaftsministerium gewesen mit der Frage, warum in NRW so wenige Studienberechtigte tatsächlich an die Hochschulen gehen. In diesem Zusammenhang habe man die (in unserem Bundesland inzwischen abgeschafften) Studiengebühren in den Blick genommen, um zu schauen, ob sie möglicherweise die Studierneigung hemmen.

"Das war aber nicht der Fall — ebenso wenig wie in allen anderen Bundesländern, die Studiengebühren eingeführt haben", sagt Helbig. Tina Baier und Marcel Helbig fanden sogar Anzeichen dafür, dass Studienberechtigte in Bundesländern mit gebührenpflichtigem Studium höhere Ertragserwartungen für ihren weiteren Werdegang hatten.

"Das heißt, die höheren Kosten werden mit einem höheren Nutzen des Studiums ,verrechnet'", sagt Helbig. "Der negative Aspekt des Kostenanstiegs wird aufgefangen von den guten Jobaussichten und Chancen, die die Studierwilligen mit einem Hochschulbesuch verknüpfen."

Dieses Phänomen zeigte sich vor allem bei Studienberechtigten aus nichtakademischen Haushalten — und damit bei jener Gruppe, für die ein deutlich negativer Effekt von Studiengebühren auf die Studierneigung und damit ein Rückgang der Studienaufnahme vermutet worden war.

Baier und Helbig weisen jedoch darauf hin, dass aus ihren Befunden nicht der Schluss gezogen werden könne, dass Studiengebühren generell keinen negativen Effekt auf die Studierneigung haben. Denn die beiden Forscher hatten für ihre Analysen einen Maximalbetrag von 500 Euro Gebühren pro Semester angesetzt — "das sind keine Privatuni-Ausmaße".

4.050 Euro pro Semester

Daher ließen sich keine Aussagen darüber treffen, wie sich die Studierneigung bei noch höheren Gebühren verändere, betonen Baier und Helbig. Nicht 500 Euro, sondern 4.050 Euro pro Semester zahlt Kim-Dajana Bilogrevic für ihr "Tourism and Event Management"-Studium an der privaten EBC-Hochschule in Düsseldorf. "Ich wusste, dass mir dafür Praxiserfahrungen, Kleingruppen, ein integriertes Auslandssemester und eine hohe Qualität des Studiums geboten werden", sagt die 20-Jährige.

Um das Studium zu finanzieren, hat sie einen Bildungskredit in Anspruch genommen und arbeitet nebenbei. Angst, die Schulden nicht abbezahlen zu können, hat sie nicht. "Ich kann nach drei Jahren so viel vorweisen, habe so viele Kontakte, dass ich mir um einen Job keine Sorgen mache. Für Bildung kann man nicht zu viel Geld ausgeben."

Eine Einstellung, die auch die private Europäische Medien- und Business-Akademie (EMBA) mit neuem Sitz im Düsseldorfer Medienhafen beobachtet. Nach Erfahrung von Geschäftsführer Thomas Dittrich entscheiden sich viele Studenten ganz bewusst für ein qualitativ hochwertiges Studium unter optimalen Bedingungen — auch wenn sie dafür Gebühren zahlen müssen.

"Unsere Erfahrung ist, dass bei unseren Studierenden und deren Eltern das Studium an einer privaten Hochschule als eine vernünftige Investition in die berufliche Zukunft und damit in die eigenen Lebenschancen empfunden wird. Die Rechnung ist relativ simpel: Das Bachelor-Studium dauert an der EMBA tatsächlich nur 36 Monate, während es aufgrund der schlechteren Studienbedingungen an staatlichen Hochschulen derzeit durchschnittlich 54 Monate dauert. Das sind nicht nur 18 Monate verschenkte Lebenszeit, sondern auch 18 Monate mehr an Lebenshaltungskosten."

Nicht von Studiengebühren, sondern von Beiträgen spricht die private Universität Witten-Herdecke. "Der Student ist kein Kunde, der eine Dienstleistung erwirbt, sondern die Beiträge sind für ihn ein Investment in die eigene Zukunft", sagt Sprecher Eric Alexander Hoffmann. "Der umgekehrte Generationenvertrag sorgt dafür, dass bei uns nicht nur Privilegierte studieren. Denn die Kosten für das Studium zahlt man erst, wenn man arbeitet — und das abhängig vom Verdienst."

Starkes Interesse

Ein Modell, das starkes Interesse auf sich zieht: Wie der größte Teil der NRW-Hochschulen verzeichnete auch die Privat-Uni deutlich erhöhte Bewerberzahlen — 22 Prozent mehr Studenten als noch 2010 wollten in diesem Wintersemester in Witten-Herdecke studieren.

"In Zahlen bedeutet dies, dass wir etwa 400 Bewerbungen für 40 Zahnmedizin-Plätze hatten und knapp 2000 Bewerber auf 84 Medizin-Plätze", sagt Hoffmann. Die Beiträge der Studenten sorgen an der privaten Universität unter anderem dafür, dass das Betreuungsverhältnis von Professoren und Studierenden bei eins zu neun liegt, dass die Bibliothek 24 Stunden geöffnet ist, dass die Ausbildung praxisnah und die Kooperation mit Unternehmen stark ist.

"Die Studenten tragen dazu bei, dass es die Uni in dieser Form gibt", so fasst Hoffmann zusammen.

(chk/jco)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort