Gütersloh Studie: Hochschulen müssen flexibler werden

Gütersloh · Das Centrum für Hochschulentwicklung fordert eine Anpassung an die gesellschaftliche Realität.

Mehr als die Hälfte eines Altersjahrgangs beginnt in Deutschland ein Studium. Dabei gerät der bislang "typische" Studierende auf dem Campus in die Minderheit. Eine Sonderpublikation des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) belegt den "Normalfall Hochschulbildung" mit Fakten und nennt Gründe und Folgen dieser Entwicklung.

2,6 Millionen Menschen in Deutschland studieren. In den vergangenen 20 Jahren hat sich die Zahl der Studienanfänger fast verdoppelt, ebenso die Zahl der Absolventen. Dabei hat eine Vielfalt an Bildungsbiografien den "klassischen" Studierendentypus abgelöst: Heute studiert nicht allein der 19-jährige Abiturient, sondern auch der Handwerksmeister, die alleinerziehende Mutter oder die Managerin im Fernstudium. Diese Entwicklung gelte es nun anzuerkennen und zu gestalten, sagt CHE-Geschäftsführer Jörg Dräger: "Der Streit über den vermeintlichen Akademisierungswahn ist hinfällig. Die gesellschaftliche Entwicklung hin zu immer mehr Akademikern ist nicht aufzuhalten. Vielmehr muss das Hochschulsystem so weiterentwickelt werden, dass es mit der Zahl und Vielfalt an Studierenden erfolgreich umgehen kann."

Die CHE-Publikation benennt dabei aktuelle Probleme: Bisher orientierten sich Hochschulen bei ihren Profilen und Studienangeboten noch zu sehr an einem klassischen Norm-Studierenden (jung, Vollzeit, auf dem Campus). Noch gebe es zu wenig Studienangebote, die auf die individuellen und vielfältigen Bildungsbiografien abgestimmt sind. Für Studierende in Teilzeit seien Seminare nach 18 Uhr beispielsweise eine gute Lösung, nicht jedoch für die alleinerziehende studierende Mutter. Zudem bedürfe es dringender Anpassungen auf der politischen Ebene. So sei zum Beispiel das Bafög bislang kein Instrument des lebenslangen Lernens, da es Teilzeit- und Fortbildungsstudium nur ungenügend berücksichtige. Auch die Übergänge zwischen hochschulischer und beruflicher Bildung seien noch nicht flexibel genug gestaltet. Dräger betont: "Der Normalfall Hochschulbildung wird das deutsche Hochschulsystem stärker verändern, als es der Bologna-Prozess getan hat." Die nun nötigen Veränderungen seien nicht ein Drehen an einzelnen Stellschrauben, sondern ein Paradigmenwechsel. "Bei Studienangeboten muss zukünftig stärker die Devise gelten: Jedem das Passende, nicht für alle das Gleiche", fordert Dräger. Zudem müssten die hochschulische und die berufliche Ausbildung, etwa durch den Ausbau dualer Studienangebote, enger zusammengeführt werden.

In der Publikation "Hochschulbildung wird zum Normalfall - Ein gesellschaftlicher Wandel und seine Folgen" bereitet das CHE diese Zusammenhänge auf 16 Seiten auf. Zahlen und Fakten veranschaulichen die Entwicklung, Hintergründe werden benannt und Handlungsempfehlungen für Hochschulen und Politik aufgezeigt.

Über die Publikation hinaus möchte das CHE, wie es ankündigte, in seiner Arbeit den Wandel hin zu einem Normalfall Hochschulbildung in Studien, Projekten und Veranstaltungen mitgestalten, etwa durch Tagungen.

(RP)
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