Leistungsniveau nicht untersucht Studie ermittelt 100 angeblich beste Schulen

Berlin (rpo). Stellen Sie sich vor, sie würden einen Gourmetführer erwerben, der deutschen Restaurants im Europa-Vergleich Spitzennoten ausstellt. Schönheitsfehler: Die Tester haben in keinem der vermeintlichen Gourmet-Tempel auch nur ein Essen probiert. So ähnlich geht die Studie eines Wirtschaftsmagazins vor, die deutschen Schulen bescheinigt, eigentlich gut dazustehen.

Wie die Untersuchung des Wirtschaftsmagazins "Capital" von 575 Gymnasien, Gesamt- und Waldorfschulen ergab, können die deutschen Oberstufen im internationalen Vergleich mithalten. Ein Kriterium floss allerdings nicht ein: das Bildungsniveau der Schüler.

Die beste der Spitzenschulen von 16 europäischen Ländern, die im Pisa-Test vor Deutschland lagen, die Lycée Anna Rodier in Frankreich, käme im deutschen Schul-Ranking nur auf Platz neun, betonte "Capital"-Chefredakteur Kai Stepp.

"Die deutschen Schulen sind insgesamt besser als ihr Ruf", resümierte auch Michael Forst, Chef des Bonner Marktforschungsunternehmens Europressedienst, das die Studie gemeinsam mit der Universität Dortmund erstellte.

Grundlage des "Capital"-Rankings sind freilich Kriterien wie Schülerbetreuung, Ausstattung, Kursangebot und Kommunikation der Schulen - nicht wie bei der Pisa-Studie das Können und Wissen der Schüler. "Wir haben eben das ganze Umfeld getestet", gesteht Stepp ein.

Den Kultusministern der Bundesländer kann die als repräsentativ bewertete Studie damit immerhin sagen, woran Deutschlands Schüler nicht scheitern - etwa an mangelnder Lehrerfortbildung, an zu wenig Auswahl bei Kursen oder am Zustand der Sanitäranlagen. Einzig bei der Computer-Ausstattung haben die Schulen im Land noch großen Nachholbedarf, der Sponsor und Chef von Microsoft Deutschland, Jürgen Gallmann, hervorhob.

Darüber hinaus kam eine Fülle von Details ans Licht. So hatten 16 Prozent der Schulleiter kein klares Konzept und konnten nur unzureichend Auskunft über die Besonderheiten ihrer Schule geben. Dafür verfügen 97 Prozent der Schulen über einen Internet-Auftritt, 91 Prozent richten jährlich einen Tag der offenen Tür aus. Vier von fünf Schulen bieten Förderunterricht, rund jede dritte gezielten Begabtenunterricht.

Für die "100 besten Schulen" ist die Studie in jedem Fall ein Grund zur Freude. Die beste Oberstufe besitzt demzufolge das Gymnasium im baden-württembergischen Achern. Rektor Paul Droll war glücklich, gestand aber ein, in einem intakten sozialen Umfeld mit bloß vier Prozent Arbeitslosigkeit sei es auch "nicht so schwierig, eine tolle Schule aufzubauen".

Dass es auch mit hoher Arbeitslosigkeit geht, zeigt der zweite Rang des Käthe-Kollwitz-Gymnasiums in Halberstadt in Sachsen-Anhalt. Dort können die Schüler Praktika in 90 Partnerunternehmen absolvieren. Die Gesamtschule Bonn-Beuel tat sich mit einer breiten Lernpalette von Theater-AG bis Chinesisch-Unterricht hervor und belegte den dritten Platz. Auffällig ist, dass sich unter den Top 10 immerhin vier Privatschulen wiederfinden.

(afp)
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