Köln/Berlin Schummeln und die Folgen

Köln/Berlin · Viele Studenten spicken in Prüfungen an der Uni - oftmals mit raffinierten Ideen. Wer erwischt wird, fliegt im schlimmsten Fall raus.

Der moderne Student schreibt nicht einfach ab - er hat einen Bluetooth-Stecker im Ohr und lässt sich die Antworten von einem Kommilitonen außerhalb des Hörsaals einflüstern. Was Studenten sich so alles einfallen lassen, um sich bei Prüfungen durchzumogeln, ist überraschend. Andere sollten sich aber vorsehen, solche Versuche nachzumachen. Denn es drohen harte Strafen.

Schummeln im Studium ist weit verbreitet. Vier von fünf Studenten geben zu, bei Prüfungen zu unsauberen Tricks zu greifen. Das zeigt eine Studie des Kölner Soziologen Sebastian Sattler. Das reicht vom Spickzettel über das Fälschen von Laborergebnissen bis hin zum Plagiat. Vorschub leisten dabei nicht zuletzt die moderne Technik und das Internet - denn sie sind verführerisch. "Es ist heute sehr viel einfacher geworden, zu betrügen", sagt er. Das gilt zum Beispiel fürs Abkupfern aus dem Internet, das auch schon prominenten Politikern wie dem ehemaligen Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg zum Verhängnis geworden ist. "Es gibt heute so große Massen von Texten online, die man mit ein paar Klicks übernehmen kann. Das gab es vor 20, 30 Jahren noch nicht", sagt Sattler.

Das Problem kennt auch Juraprofessor Gerhard Dannemann von der Humboldt-Universität zu Berlin, der sich mit dem Thema Plagiate intensiv auseinandergesetzt hat. Dannemann schätzt, dass hierzulande in etwa einem Fünftel der eingereichten Bachelor- und Masterarbeiten abgekupfert wird.

Studenten sind beim Schummeln auf jeden Fall erfinderisch: So ist der Spickzettel 2.0 kein handgeschriebener Zettel mehr. Studenten drucken sich abgewandelte Flaschenetikette aus und verwandeln dabei das Kleingedruckte zur Formelsammlung - passende Vorlagen gibt es im Internet. Andere setzen aufs Handy und verschicken ein Foto der Aufgaben - die Lösung kommt per SMS. Oder sie wird eben mündlich über einen drahtlosen Knopf im Ohr durchgegeben. Der nächste logische Schritt sind Smartwatches als Spickzettel. Eine ausländische Firma bietet im Netz Schummel-Uhren im Set mit einer Spezialbrille an. Nur mit ihr ist der digitale Spickzettel zu lesen, für andere sieht der Bildschirm leer aus, verspricht der Hersteller. "Das ist wie beim Doping im Sport - es gibt immer etwas Neues, und die Jäger sind oft einen Schritt hinterher", sagt Sattler.

Auf viele Tricks haben Hochschulen aber inzwischen reagiert. Dazu gehört etwa ein striktes Handyverbot in Klausuren. Klingelt im Raum ein Telefon, werde das teilweise schon als Täuschungsversuch gewertet, erklärt der Soziologe. Jemand anderen zur Prüfung schicken? Das klappt oft nicht mehr. Denn vielfach werde heute der Personalausweis überprüft, ergänzt Dannemann. Und gegen Plagiate gehen die Hochschulen systematisch mit spezieller Software vor.

Manche Tricks sind aber auch ganz altmodisch: Vieles spielt sich immer noch auf dem Klo ab, hat Dannemann beobachtet. Dort wartet dann entweder ein Spickzettel, ein Lehrbuch oder ein Kommilitone. Andere verwenden immer noch altes Klausurpapier, auf dem vorgeschriebene Texte stehen.

Dannemanns dreistester Pfuscher-Fall war jedoch keine Arbeit, die aus dem Netz kopiert war, sondern ein handfester Diebstahl. Ein Student bat eine Kommilitonin, seine Arbeit für ihn abzugeben. Das tat sie auch - aber unter ihrem Namen. Das Ganze flog erst auf, als der Student sich später erkundigte, wo denn seine Arbeit geblieben sei.

Was sich wohl nicht jeder klarmacht: Schummel-Studenten drohen harte Strafen. Das fängt an beim Punkteabzug, wenn etwa in einer Hausarbeit Zitate teilweise nicht gekennzeichnet sind, sagt Roland Schimmel, Juraprofessor an der Frankfurt University of Applied Sciences. Wird eine Prüfung als durchgefallen gewertet, kann das im Bachelor gravierende Folgen haben, ergänzt Dannemann. Denn wenn es eine Pflichtprüfung ist und sie nicht wiederholt werden kann, ist das Studium damit beendet. Und mitunter regelten die Prüfungsordnungen, dass Studenten nach einem Täuschungsversuch als endgültig durchgefallen gelten. Werden Betrüger zwangsexmatrikuliert, ist das außerdem folgenschwer, weil sie dann keine andere Hochschule im gesamten Bundesgebiet in dem Fach wieder aufnimmt, erklärt Schimmel.

Immer wieder kommt es aber auch vor, dass Studenten sich beim Schummeln selbst entlarven. In einem Fall hatte ein Student erfolgreich einen Spickzettel in die Klausur geschmuggelt - ihn aber dummerweise hinterher mit der Klausur abgegeben, erzählt Dannemann. In einem anderen Fall wollten zwei Studentinnen auf Teamarbeit setzen: Die eine bearbeitete Aufgabe eins in doppelter Ausführung, die andere Aufgabe zwei. Vor der Abgabe tauschten sie heimlich Zettel aus, schildert Schimmel. Dumm nur: Das Klausurpapier hatte unterschiedliche Farben. Die Zettel der einen Studentin waren grün, die der anderen blau.

Die Gründe fürs Pfuschen im Studium sind dabei vielfältig: Überforderung, Faulheit oder der Wunsch, als Einser-Absolvent dazustehen, nennt Prof. Gerhard Dannemann von der Humboldt-Universität zu Berlin als Beispiele. Und bei einigen kommt Unwissenheit im Umgang mit Quellen hinzu. "Die Leute wissen einfach nicht, wie man's richtig macht." Einigen fehlt auch das Unrechtsbewusstsein - denn für nicht wenige ist Mogeln im Studium offenbar nur ein Kavalierdelikt. So hält beispielsweise jeder Fünfte das Schummeln in Klausuren nicht für unmoralisch, erklärt Sattler. Aber auch Prüfungsangst und Konkurrenzdruck fördern laut seiner Studie Betrug im Studium.

(dpa)
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