Kleve Rhein-Waal lehrt auch Schnapsbrennen

Kleve · Landwirtschaftsstudiengänge und Bio-Engineering-Studenten der Hochschule Rhein-Waal arbeiten Hand in Hand. Beim Schnapsbrand lernen sie Theorie und Praxis von der Apfelernte über die Fermentierung bis zur Vermarktung.

Die bauchige Anlage aus Kupfer mit den altmodisch-analogen Uhrenzeigern wirkt wie aus der Zeit gefallen in der modernen Technikhalle der Hochschule Rhein-Waal (HRW). Das übermannshohe Kupfergefäß glänzt wie sorgfältig poliert. Runde, in Edelstahl gefasste Fenster lassen einen Blick ins Innere zu. Auf einem fahrbaren Tischchen daneben sind Labor-Fläschchen mit blauen Deckeln sortiert, darin eine klare, leicht ölige Flüssigkeit. "Apfelbrand" steht darauf: Das altmodisch kupferne Gefäß ist die neue Destille der Hochschule.

"Wir haben uns für die Destille entschieden, weil hier verschiedene Studiengänge der Hochschule ihre Theorie am praktischen Beispiel umsetzen können", sagt Professor Matthias Kleinke, Dekan der Fakultät Life Science. Er greift eine der Laborflaschen mit dem Obstschnaps und fächelt mit der Hand aus einem der Fläschchen das feine Apfelaroma des Hausbrands zu. Riecht sehr gut, der Brand. Es sind die Flaschen aus dem ersten Versuch, mit dem die Destille eingeweiht wurde, nachdem sie abgenommen und beim Zoll angemeldet worden war. "Ab jetzt ist sie Teil der Lehre", erklärt Kleinke.

Die Landwirtschafts-Studenten des Bachelor-Studiengangs "Sustainable Agriculture" befassen sich während ihres Studiums unter anderem mit dem Anbau und der Veredelung von Obst. Während sie zunächst landwirtschaftliche und gartenbauliche Produktionssysteme als Teil der Wertschöpfungskette mit Blick auf Nachhaltigkeit analysieren, geht es später an die praktische Umsetzung: die Kultivierung der alten Apfelsorten und ihre Vermarktung.

Die Äpfel (oder Williams-Christ-Birnen) kommen entweder von Betrieben aus der Region oder von der hochschuleigenen Streuobstwiese mit alten Apfelsorten, die Kleinkes Gartenbau-Kollege Professor Jens Gebauer in der Klever Hochschule pflegt. Ein Teil soll als praktische Aufgabe in Hochprozentiges verwandelt werden. Die Vermarktung des edlen Brandes bleibt zunächst allerdings theoretisch. Denn der HRW-Schnaps soll nicht in den Handel gelangen: "Vielleicht produzieren wir einige Flaschen, die wir als Hochschule unseren Gästen schenken können", so Kleinkes Idee. Den Brand selbst werden Studenten des Bachelor-Studiengangs Bio-Engineering vorbereiten. Der Studiengang verbindet natur- und ingenieurwissenschaftliche Disziplinen und befasst sich unter anderem mit Bioverfahrenstechnik und Produktaufarbeitung. Ein Fokus liegt dabei auf der Fermentation, die beispielsweise an einem Industriestandard-Fermenter durchgeführt wird. Dazu arbeite man auch im Mikroskopie-Zentrum beispielsweise mit dem Fluoreszenzmikroskop zur Untersuchung von Mikroorganismen, die in den verschiedenen Projekten eingesetzt werden, erläutert Kleinke.

In der Praxis heißt es dann: "Die Früchte müssen zerkleinert, die Maische muss angesetzt werden. Sie fügen Hefe und Mikro-Organismen hinzu. An den Ergebnissen kann man direkt begreifen, wie die Mikroorganismen arbeiten, wie sich unterschiedliche Hefen auf den Prozess auswirken", sagt Kleinke. Mit der Geschmacksrichtung und der Veredelung, der Mengenproduktion des geistigen Getränks geht's dann weiter: andere Hefe, andere Früchte, anderer Geschmack. Wie hoch darf, wie hoch soll der Alkoholgehalt sein? "Damit werden sich die Studierenden auseinandersetzen müssen", sagt der Professor. Das gesamte Projekt werde studiengangübergreifend fest in der Lehre verankert: "Die Destille ermöglicht, dass die Studierenden sehen, wie die verschiedenen Fachbereiche ineinandergreifen. Sie lernen am praktischen Beispiel, wie die Verfahren ablaufen, wie man produzieren und vor allem, wie man variieren kann", erklärt der Dekan. Man habe auch hier das Ziel vor Augen, Naturwissenschaften zum Anfassen zu bieten, sagt Hochschulsprecherin Christin Hasken. "Wichtig ist, dass wir die Studieninhalte Nachhaltigkeit, Arbeitsschutz und Lebensmittelqualität praktisch miteinander verbinden und das in den Vorlesungen erworbene Wissen in die Praxis umsetzen können", erklärt Kleinke.

Zum Abschluss wird das Produkt probiert, gibt es den obligatorischen "wönzigen Schlock" à la Feuerzangenbowle für Professor und Studierende. "Ein bisschen Spaß muss man mit der Arbeit verbinden dürfen", sagt Kleinke und stellt die Flasche mit dem gut duftenden Brand zurück auf den Rolltisch.

(RP)
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