Studiengebühren-Frust NRW-Unis stehen in der Kritik

Berlin (RP). Die meisten Studenten, die Gebühren zahlen, sehen bislang keine Auswirkungen auf die Lehre. In einer Untersuchung benoteten sie die Verwendung der Gebühren im Schnitt mit den Schulnoten "ausreichend" und "mangelhaft". Sie klagen über mangelnde Transparenz. Mehrere NRW-Unis sind in die Kritik geraten.

Studiengebühren: So beurteilen Studenten die Verwendung
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Studiengebühren: So beurteilen Studenten die Verwendung

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Foto: Manuel Boddart

Das Thema Studiengebühren spaltet. Es gibt Unis, an denen Rektor und Studierende kooperieren wie an der RWTH Aachen. Es gibt aber auch Hochschulen, an denen sie auf Konfrontation gehen wie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Dort haben Studierende sogar Drohungen ausgesprochen. Sie verlangen vom Rektor Nachweise über die Verwendung der Studiengebühren. "Wenn wir die Zahlen nicht bekommen, werden wir rechtliche Schritte einleiten", erklärte der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA).

Rektor Alfons Labisch will nun in der Senatssitzung am 15. Juli einen ausführlichen Bericht vorlegen. "In der Tat hat es eine Verzögerung gegeben, weil viele Daten zusammengeführt werden mussten, aber von einer Verweigerungshaltung kann keine Rede sein", sagt der Kanzler der Universität, Ulf Pallme-König. Die Vorkommnisse sind beispielhaft dafür, warum die Akzeptanz von Studiengebühren auf einen neuen Tiefstand sinkt.

Eine Studie der Universität Hohenheim in Stuttgart belegt den wachsenden Frust. In Einzel-Interviews hat Marketing-Professor Markus Voeth — ein erklärter Freund von Studiengebühren — an allen Universitäten mindestens 100 Studenten befragen lassen. Das Ergebnis: Drei Viertel aller Hochschüler, die Gebühren bezahlen, sehen keine Verbesserung der Situation an ihrer Uni.

Keine Konzepte für die Verwendung

Im Bundesdurchschnitt vergaben die Gebührenzahler die Schulnote 4-5. Im Vorjahr war es noch eine 3-4. "Vor einem Jahr hatten die Unis einen gewissen Bonus, weil die Gebühren neu waren", erklärt Voeth den Umschwung. Inzwischen aber würden Studenten zu Recht Wirkungen erwarten. Längst aber glaubten schon viele nicht mehr an eine verbesserte Situation. Entsprechend wächst der Ärger.

Besonders auffällig an den Studienergebnissen: Das Schlusslicht im Ranking bilden Hamburg und Nordrhein-Westfalen mit der Durchschnittsnote 4,76. Den NRW-Schnitt drücken besonders die Universität Wuppertal, deren Studenten eine 5,37 vergaben, die Universität Duisburg-Essen mit 5,34 und die Universität Düsseldorf mit 5,06.

Als Hauptkritikpunkte nennt Voeth "keine ausreichenden Konzepte über die Verwendung von Studiengebühren und zu wenig Informationen". Es gehe nicht darum, vier oder fünf Studenten in die Prozesse einzubinden und ein paar Zahlen auf der Homepage zu platzieren. Der Student wachse in die Rolle des Kunden hinein. "Wir haben eine Bring-Schuld", findet Voeth.

Der Professor aus dem westfälischen Beckum hatte mit seiner Kundenorientierung schon einmal für Aufsehen gesorgt. Als Reaktion auf die Einführung von Studiengebühren bietet er seinen Hochschülern seit mehr als einem Jahr eine Garantie für Leistungen. Er verspricht, Diplom-Arbeiten in vier Wochen zu korrigieren, eine Antwort auf E-Mails binnen 24 Stunden zu geben und vieles mehr. Jeder Vorstoß wird auf der Homepage vermerkt. Voeth nennt das professionelle Lehrstuhl-Führung.

Einfluss auf die Geldverteilung

Seiner Meinung nach ist es nun Aufgabe von Landesregierungen und den Unis selbst, die Zustände zu verbessern. Nordrhein-Westfalens Innovations-Minister Andreas Pinkwart (FDP) gesteht: "Entscheidend für die Akzeptanz von Studienbeiträgen ist die Transparenz der Verwendung, und dass der Staat den Hochschulen nicht an anderer Stelle Geld wegnimmt." Letzteres sei in NRW nicht der Fall. Das Land gebe mehr Geld aus als vor der Einführung der Studiengebühren.

Was also unterscheidet die Informationspolitik der Universität Düsseldorf von der RWTH Aachen, die in Voeths Ranking die viertbeste Note aller Hochschulen erreicht. "Bei uns läuft alles zufrieden stellend", sagt Hans Christian Lüer vom AStA trotz der Tatsache, dass Studenten nie mit Gebühren glücklich sein werden. Positiv nennt Lüer, dass er und seine Kommilitonen in allen Bereichen Einfluss auf die Geldverteilung haben. Über die Fachschaften bestimmen sie mit, wo neue Stellen eingerichtet oder Bücher angeschafft werden. Selbst bei den Anteilen, die für Verwaltung, Bibliothek und Bauvorhaben bereitgestellt werden, haben sie ein Veto-Recht.

An der Düsseldorfer Universität herrscht dagegen noch Unklarheit. Seit drei Semestern werden Gebühren erhoben. 50 Prozent werden an die Fakultäten verteilt und sind unstrittig. Die restlichen 50 Prozent aber fließen in einen Rektoratsfonds. Um dieses Geld zu bekommen, müssen Mitarbeiter Anträge stellen. AStA-Vorstand Philipp Tacer erhebt den Vorwurf, der Rektor mache damit Fächerpolitik. 1,4 Millionen Euro seien in die Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät geflossen, aber nur 130.000 Euro an die Philosophische Fakultät, die viel mehr Studierende habe.

"Das heißt, die einen finanzieren mit ihren Gebühren die Ausstattung der anderen", sagt Tacer und findet das nicht fair. Kanzler Pallme-König dagegen hält sie für "sachlich gerechtfertigt", weil Labors viel mehr kosten als die Ausstattung der Philosophischen Fakultät. Die Korrektheit der Zahlen, die der AStA nennt, zweifelt die Uni-Führung an. Es gilt, den offiziellen Bericht am 15. Juli abzuwarten, der dann für alle verfügbar sein soll.

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