Lehrstelle gesucht

Irgendwie ist alles schief gegangen. Als Bianca Reiners die Abschlussklasse freiwillig wiederholt, um ihren Notenschnitt zu verbessern und somit bessere Chancen auf dem Lehrstellenmarkt zu haben, wird sie krank. Drei Monate liegt sie in der Klinik, ihr Ziel vom verbesserten Notenschnitt rückt in weite Ferne. Außerdem stehen auf ihrem Abschluss-Zeugnis nun 29 unentschuldigte Fehltage, weil die Krankmeldung nicht in der Schule ankam. "Das kommt in Vorstellungsgesprächen natürlich nicht gut an", sagt die 19-Jährige aus Viersen-Dülken. Seit zwei Jahren ist die Hauptschul-Absolventin nun schon auf der Suche nach einer Ausbildung. Vergeblich.

So wie Bianca geht es vielen Jugendlichen. Obwohl das neue Ausbildungsjahr schon im August begonnen hat, suchen auch im Oktober noch zahlreiche junge Menschen eine Lehrstelle. Manche hatten Pech, andere passten nicht in den Betrieb oder haben keinen Platz in ihrem Traumberuf gefunden.

Doch es ist nicht zu spät: Die Arbeitsagenturen vor Ort kümmern sich um die Nachvermittlung von noch frei gebliebenen Lehrstellen. "Wir raten jedem Jugendlichen, sich bei seiner Arbeitsagentur vor Ort schlau zu machen, was für Nachvermittlungsaktionen dort noch auf dem Programm stehen", sagt Raimund Becker, Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit. "Vielleicht ist ja gerade für diesen jungen Menschen eine Ausbildungsbörse dabei, über die er seinen zukünftigen Ausbildungsbetrieb direkt kennenlernen kann."

Bianca hat schon vieles versucht. Erst nahm sie einen Nebenjob als Kellnerin an, dann ein Praktikum als Floristin mit Aussicht auf eine Lehrstelle. Doch bevor es zum Vertragsabschluss kam, musste der Arbeitgeber den Blumenladen räumen. Nach weiteren Enttäuschungen arbeitet Bianca nun als Inventurhilfe, einen weiteren Aushilfsjob hat sie in Aussicht. Dabei wünscht sie sich nichts mehr als eine Ausbildungsstelle. "Ich möchte Einzelhandelskauffrau werden", sagt sie. Auf eine Branche legt sie sich nicht fest. "Ich bin da relativ offen. Ich würde sowohl in einer Boutique als auch in einem Supermarkt arbeiten", sagt Bianca.

Auch Martin Krampel möchte verkaufen. "Am liebsten in der Elektro- oder Lebensmittelbranche", sagt er. "Ich mag die Arbeit mit Menschen." Der 18-Jährige aus Krefeld hat 15 Bewerbungen geschrieben, aber keine Lehrstelle gefunden. "Bei Vorstellungsgesprächen bin ich immer sehr nervös", begründet der Realschullabsolvent seine erfolglose Suche. Dabei hat er schon mehrere Praktika im Einzelhandel absolviert. Während viele Jugendliche noch nach Lehrstellen suchen, bleiben bei den Unternehmen zahlreiche Stellen unbesetzt. "Das liegt daran, weil manche Arbeitgeber nur nach den Olympioniken aus den Schulen schauen", sagt Becker von der Arbeitsagentur. Dabei erweise sich so mancher Jugendliche mit Startschwierigkeiten auf den zweiten Blick als erste Wahl, indem er sich zum Top-Azubi entwickele. "Es lohnt sich also, nicht nur auf Noten zu schauen, sondern genauer hinzusehen", so Becker.

Vor allem im Hinblick auf den demografischen Wandel und dem damit verbundenen Fachkräftemangel, ist es wichtig, dass die Unternehmen auch schwächeren Schülern eine Chance geben – und somit ihren eigenen Nachwuchs sichern. "Wir können es uns nicht leisten, auch nur einen einzigen Jugendlichen ohne Berufsausbildung ins Leben zu entlassen", so Becker. "Wir brauchen jeden klugen Kopf und jede fachkundige Hand für unsere Zukunft."

Unterdessen sucht Martin weiter, er gibt die Hoffnung nicht auf: Für das Ausbildungsjahr 2012 will er 30 Bewerbungen schreiben.

(RP)
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