Eltern in der Pflicht Lehrer fordern mehr Zeit für Kinder

Stuttgart (rpo). In der Debatte um eine frühe Förderung von Kindern, die die PISA-Studie in Deutschland auslöste, melden sich jetzt Pädagogen zu Wort. Einer Umfrage unter Lehrern zufolge sehen diese die größten Probleme im Elternhaus begründet. Eltern müssten mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen, sie häufiger loben und ihre Erwartungen nicht zu hoch schrauben.

Im Auftrag des Magazins Reader's Digest befragte das Meinungsforschungsinstitut Emnid jetzt 500 Lehrer an deutschen Haupt-, Real- und Gesamtschulen sowie an Gymnasien. Das Ergebnis: Die Lehrer fordern die Eltern auf, die Kinder bei den schulischen Leistungen nicht unnötig unter Druck zu setzen, den Nachwuchs mehr zu loben, gemeinsame Mahlzeiten zur Regel zu machen, vor allem aber die Kinder ernst zu nehmen. So würden 58 Prozent der Lehrer den Eltern gerne sagen, dass die sich "zu wenig Zeit für ihr Kind" nehmen.

Im Normalfall sind die Lehrer zur Zurückhaltung verpflichtet. Abgesehen von Elternabenden und Sprechtagen können sie selten ihre Meinung über die Schüler sagen. Die Umfrage, über die das Magazin in seiner Januar-Ausgabe berichtet, gewährt deshalb interessante Einblicke in die Sorgen der Pädagogen. Ein Rat von vielen: Eltern sollten öfters mal auf eigene Freizeitaktivitäten verzichten, um mehr Zeit für die Kinder zu haben. So sei es sinnvoll, mit den Kindern eine gemeinsame Fahrradtour oder eine Wanderung zu machen, statt die Kinder vor dem Fernseher oder am Computer sitzen zu lassen, um selbst Ruhe zu haben.

"Da bekommen Kinder das neueste Handy, die teuersten Turnschuhe, aber die Kinder gehen kein einziges Mal mit ihnen in den Wald", beklagt eine Lehrerin in der Umfrage. In diesem Zusammenhang fordern 45 Prozent der Lehrer die Eltern auf, den Kindern mehr Zuwendung zu geben: "Loben Sie Ihr Kind, wenn es etwas gut gemacht hat oder sich besonders angestrengt hat. Liebevolle Zuwendung stärkt sein Selbstwertgefühl", so der Tipp der Lehrer. Wenn Kinder einen Vorfall aus der Schule besprechen wollen, dürfe man sie nicht vertrösten, sondern müsse sich möglichst umgehend mit dem Problem befassen. Die Bitte der Lehrer: "Hören Sie Ihrem Kind erst einmal zu."

Aus Sicht der Pädagogen sollten Kinder daheim einen verlässlichen Tagesablauf haben, um gefestigt zu sein. "Stehen Sie morgens mit Ihrem Kind auf und frühstücken mit ihm", lautet der dringende Rat. Überhaupt gelten regelmäßige Mahlzeiten als besonders wichtig für das Zusammengehörigkeitsgefühl der Familie.

Mit Blick auf die Schulnoten warnen die Lehrer vor überzogenen Reaktionen: "Schimpfen Sie nicht nach schlechten Leistungen. Sagen und zeigen Sie Ihrem Kind, dass Ihre Liebe zu ihm nicht an seinen Schulnoten hängt." Es sei falsch, die Kinder immer wieder zu Höchstleistungen anzutreiben und unbedingt das Abitur zu verlangen. So würden 44 Prozent der Lehrer den Eltern gerne einmal diesen Satz sagen: "Ihre Erwartungen an Ihr Kind sind viel zu hoch."

Darüber hinaus fordern die Lehrer die Eltern auf, die unterschiedlichen Entwicklungsstufen der Kinder zu respektieren. Es gebe Phasen, in denen Kindern das Lernen leichter, dann wieder schwerer fällt. "Gerade in der Pubertät, in der siebten und achten Klasse, ist das oft schwierig." Wichtig sei deshalb, Probleme frühzeitig zu erkennen und anzusprechen. Die Pädagogen raten deshalb dazu, Elternabende, Sprechtage und Schulfeste zu besuchen und dort den Kontakt mit den Lehrern zu suchen.

An einem Punkt freilich fordern die deutschen Lehrer deutlich mehr Zurückhaltung von Vater und Mutter: bei den Hausaufgaben geht. 49 Prozent der Befragten würden den Eltern gerne sagen: "Ich schätze Ihre Hausaufgaben, aber ich möchte, dass Sie Ihr Kind unterstützen, sie selbst zu machen." Wer dem Nachwuchs zu sehr hilft, verhindere deren Selbstständigkeit. Richtig sei es, Vokabeln abzufragen, eine Aufgabe durchzusehen oder gemeinsam nach Informationen zu suchen.

Wenn dann noch Unklarheiten bestehen, sollten aber nicht die Erwachsenen die Aufgabe lösen. Der Rat der Lehrer: In einer solchen Situation sollte das Kind im Unterricht nachfragen, wenn es etwas nicht verstanden hat.

(gms)
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