Düsseldorf Keine Angst vor dem Studium

Düsseldorf · Wenn die Eltern keine Akademiker sind, fällt der Schritt an die Hochschule nicht so leicht. Mit dem Projekt "DeinWeg@Uni" unterstützt die Heinrich-Heine-Universität Schüler, die noch Zweifel an einem Studium haben.

Dass er einmal studieren möchte, das ist Marwin Canpolat eigentlich klar. Aber was überhaupt und wie genau man ein Studium angeht, das wusste der 18-jährige Gesamtschüler aus Duisburg bislang nicht. "Meine Eltern haben nicht studiert, zudem stammt mein Vater gar nicht aus Deutschland - aus meiner Familie kann mir niemand erklären, wie das Hochschulsystem überhaupt funktioniert." Und ohne Berührungspunkte zur Universität habe er auch Zweifel daran gehabt, ob er an der Hochschule überhaupt bestehen könne, sagt Marwin Canpolat.

An Schüler wie ihn richtet sich das Projekt "DeinWeg@Uni" der Heinrich-Heine-Uni Düsseldorf. Es bringt Mädchen und Jungen aus Nicht-Akademikerfamilien oder mit Migrationshintergrund, die unsicher sind, ob sie sich ein Studium zutrauen, mit dem Campus in Kontakt. "Wir begleiten die Schüler über die gesamte Oberstufe hinweg", sagt Yvonne Appler, die das Projekt betreut. Zweimal im Halbjahr kommen die derzeit 20 Mädchen und Jungen von drei verschiedenen Schulen in der Region an die Heine-Uni, um dort an Workshops teilzunehmen und in Studiengänge hineinzuschnuppern. "Es gab einen Test zum Thema Lerntypen, wir haben Stärken, Kompetenzen und Interessen der Teilnehmer mit dem Profil-Pass herausgefiltert, etwas zum wissenschaftlichen Arbeiten gelernt und das Thema Stressabbau aufgegriffen", sagt Appler. Außerdem lernen die Schüler, Studiengänge und deren Inhalte zu recherchieren und erfahren alles über Bewerbung und Einschreibung sowie Studienfinanzierung. Und jeder Schüler verbrachte bereits einen Tag mit einem Studenten, an dessen Seite Vorlesungen und Seminare besucht werden konnten.

Das war auch für Marwin Canpolat besonders hilfreich: "Ich wusste nicht, welches Studium es sein soll. Journalismus, Politik oder Lehramt? Das Hospitieren in den verschiedenen Studiengängen hat mich darin bestärkt, ein Lehramtsstudium in den Fächern Deutsch und Geschichte anzustreben." Auch der Selbsteinschätzungstest, der Teil des Projektes ist, habe ihm gezeigt, dass er sich mehr zutrauen könne. "Ich wurde in meinem Studienwunsch unterstützt und weiß nun auch, wie ich diesen Weg gehen kann. Damit bin ich der Erste in meiner Familie, der an die Hochschule geht." Seine Angst vor der unbekannten Uni - und den angeblich extrem schweren Prüfungen - habe er ablegen können. Angenehmer Nebeneffekt: Dank des freien Zugangs zur Universitätsbibliothek war auch das Anfertigen der Facharbeit für die Schule kein Problem.

Die Schüler positiv bestärken, den eigenen Weg zu gehen: Das ist das Ziel von "DeinWeg@Uni". "Viele unserer Teilnehmer waren erst einmal auf der Realschule und sind von dort in die Oberstufe gewechselt. Dass sie mal Abitur haben würden, konnten sie sich lange nicht vorstellen", sagt Appler. "Hinzu kommt der fehlende Rückhalt von zu Hause. Vielleicht erwarten die Eltern, dass man eine Lehre macht oder zum Unterhalt der Großfamilie beiträgt. Wir möchten die Schüler dazu ermutigen, sich nicht von der Familie fremdbestimmen zu lassen, sondern eine eigene Entscheidung zu treffen."

Und die kann natürlich auch gegen ein Studium ausfallen: "Das Projekt ist einfach eine tolle Chance, sich über die eigenen Ziele klar zu werden", sagt Marwin Canpolat. "Selbst wenn man am Ende weiß, dass ein Studium nichts für einen ist: Dinge wie Strategien gegen Prüfungsstress oder die eigenen Stärken zu kennen, nützen einem doch immer." Wer also wie er aus einer Nicht-Akademikerfamilie komme oder einen Migrationshintergrund habe, solle sich in jedem Fall für das Projekt bewerben. Denn im Sommer soll die nächste Gruppe von Schülern an den Start gehen. Bewerben kann man sich jetzt schon. Zum ersten Mal gab es "DeinWeg@Uni" übrigens im Jahr 2014, da kamen die Teilnehmer in die elfte Klasse. Ziel des Programms ist die Förderung der sozialen Vielfalt an den Hochschulen. "In diesem Jahr werden wir neben Gesamtschülern erstmals auch Gymnasiasten für das Programm zulassen - auch wenn sie nur zwei Jahre die Oberstufe besuchen", sagt Appler. Bewerben kann sich, wer im Sommer in die Oberstufe kommt, und wer bereit ist, Zeit in die Workshops zu investieren - auch am Wochenende. Zu dem ausgefüllten Bewerbungsbogen muss auch ein Motivationsschreiben angefertigt sowie die Empfehlung eines Lehrers eingeholt werden.

Übrigens: Auch wer etwas studieren möchte, das es in Düsseldorf gar nicht gibt, wie beispielsweise Tiermedizin oder Lehramt, ist bei dem Projekt herzlich willkommen. Denn bei Bedarf vermittelt die Heinrich-Heine-Uni an die entsprechenden Beratungsstellen anderer Universitäten.

(RP)
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