Düsseldorf Job-Chancen trotz Bummelstudiums

Düsseldorf · Wer sein Studium nicht in der Regelzeit schafft, braucht nicht gleich um die Karriere zu bangen.

Von Kurs zu Kurs hetzen und dabei so viele Credit Points wie möglich sammeln? So hat sich Vanessa Bittner ihr Soziologiestudium an der Universität Konstanz nicht vorgestellt. Im Gegenteil: "Die Studienzeit ist für mich eine Orientierungs- und Selbstfindungsphase", erklärt die 23-Jährige. Ihren Bachelor hätte sie nach sechs Semestern in der Tasche haben können. Doch die Studentin hat sich gegen einen eng getakteten Studienablauf entschieden und Zeit für Berufserfahrung und einen Auslandsaufenthalt eingeplant. "Außerdem habe ich neben Pflichtseminaren immer wieder Kurse gewählt, die mich persönlich interessiert haben", sagt sie.

Vanessa Bittner ist mittlerweile im achten Semester. An ihrer Strategie will sie nichts ändern: "Der Blick über den Tellerrand hinaus ist mir wichtiger als ein Studium im Eilverfahren."

Laut Statistischem Bundesamt betrug die durchschnittliche Studiendauer für den Bachelorabschluss bundesweit rund acht Semester. Besonders in den Geisteswissenschaften ist die Abweichung von der Regelstudienzeit keine Seltenheit. Doch wer sein Studium nicht in der vorgesehenen Zeit abschließt, hat in den meisten Fällen gute Gründe.

"Viele müssen sich mit einem Nebenjob finanziell über Wasser halten", sagt Solvejg Rhinow, Leiterin der zentralen Studienberatung der Universität Leipzig. Aber auch Studienwechsel, Auslandsaufenthalte, Familiengründung oder Praktika können zu Verzögerungen führen. "Nur die Wenigsten verbummeln die Zeit."

Wie lange Studenten überziehen dürfen, hängt vom Bundesland ab. An manchen Universitäten fallen Gebühren an, wenn sie eine gewisse Semesterzahl überschreiten. Aber auch die erlaubte Länge eines Studiums vor drohender Exmatrikulation divergiert zwischen den Hochschulen. "An der Uni Leipzig dürfen Studenten die Regelstudienzeit um vier Semester überziehen", erklärt Rhinow. Anschließend sollte die Abschlussprüfung absolviert werden, sonst müssen Studenten mit Konsequenzen rechnen.

Negative Auswirkungen kann ein Langzeitstudium auch auf das Bafög haben. Im Normalfall bekommen Studenten nur für die Regelstudienzeit finanzielle Unterstützung.

Doch wirkt sich eine Studienzeit-Verlängerung im Lebenslauf auch negativ auf die Jobchancen aus? Nicht unbedingt, sagt Martina Bandoly von der Deutschen Gesellschaft für Karriereberatung in Berlin. "Wichtig ist, eine plausible Erklärung für die Brüche im Werdegang zu haben." Warum wurde die Regelstudienzeit nicht eingehalten, und was hat man währenddessen alles gemacht? Langzeitstudenten sollten sich auf solche Fragen vorbereiten. "Wer im Bewerbungsgespräch keine schlüssigen Antworten parat hat, könnte es schwer haben", warnt die Expertin.

Denn mit einer verbummelten Studienzeit kommen Bewerber beim Personaler nicht gut an. "Erfahrungsgemäß werden höhere Semesterzahlen bei Geistes- und Sozialwissenschaftlern eher toleriert als bei Wirtschaftswissenschaftlern", sagt die Karriereberaterin. Doch grundsätzlich ist es egal, ob BWL- oder Germanistikstudent: Wichtig sei, Erlebtes wie Nebenjobs oder Fachwechsel vorteilhaft zu verpacken. "Denn solche Schlangenlinien im Lebenslauf zeigen potenziellen Arbeitgebern, dass man die Arbeitswelt bereits kennt oder im Studium gelernt hat, worauf es ankommt", so die Expertin.

Das sieht Solvejg Rhinow auch so: "Wer mit Krisen oder Nebenjobs sein Studium meistern musste, sollte das auch im Bewerbungsgespräch unterbringen." Studenten punkten so mit Durchhaltevermögen oder Belastbarkeit. Vom Versuch, die höhere Semesterzahl zu kaschieren, rät die Expertin ab.

Für Vanessa Bittner waren die zusätzlichen Semester eine gute Möglichkeit, sich zu erproben. Ihre Bachelorarbeit möchte sie im neunten Semester schreiben. "Beruflich plane ich, im akademischen Bereich zu arbeiten, und mache deshalb hinterher noch einen Master." Erfahrung in diesem Feld hat sie während des Studiums als studentische Hilfskraft und in Tutorien gesammelt. "Durch die Extra-Zeit, die ich in meinen Bachelor investiert habe, weiß ich jetzt genau, was ich will."

(DPA-TMN)
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