E-Learning Immer mehr Vorlesungen online

Aachen/Bochum (RP). E-Learning wird immer wichtiger. Ganze Seminare können inzwischen im Internet belegt werden, und Professoren weltweit stellen Angebote kostenlos zur Verfügung. In NRW sind die Ruhr-Unis und die RWTH Aachen Vorreiter. Ein Blick auf ihre Projekte.

 So sieht das Online-Seminar „Literaturverfilmungen“ von Jan Boelmann an der Universität Bochum aus. Rechts oben erklärt der Doktorand in Video-Sequenzen die Inhalte. Dazu können die Teilnehmer Folien, Texte und Aufgabenstellungen anklicken und bearbeiten.

So sieht das Online-Seminar „Literaturverfilmungen“ von Jan Boelmann an der Universität Bochum aus. Rechts oben erklärt der Doktorand in Video-Sequenzen die Inhalte. Dazu können die Teilnehmer Folien, Texte und Aufgabenstellungen anklicken und bearbeiten.

Foto: Screenshot Uni Bochum

Das Internet hat Walter Lewin zum Star-Professor gemacht. 100.000-fach rufen Menschen weltweit die Vorlesungen des Astrophysikers ab. Sie sehen, wie der 72-Jährige mit wehendem Haar auf einer Kugel durch den Hörsaal schwingt, um ein Pendel zu erklären. Oder wie er an der Universität Massachusetts auf einem Dreirad mit Feuerlöscher-Antrieb fährt — um zu zeigen, wie eine Rakete startet. "Ich probe jede Vorlesung mindestens drei Mal", sagt Lewin, der Meister der Inszenierung. Doch nicht nur er, auch viele Hochschulen in Deutschland nutzen das Internet als neue Chance.

Hervor sticht etwa das Portal "RuhrCampusOnline", das die Universitäten Duisburg-Essen, Bochum und Dortmund gemeinsam installiert haben. Es bietet Seminare, die komplett im Internet belegt werden können. Einer der verantwortlichen Pioniere ist Jan Boelmann (28), Doktorand der Germanistik an der Uni Bochum. Er hat ein Seminar zum Thema "Literaturverfilmungen" aufbereitet. Mehr als 400 Einzel-Videos drehte er mit Studenten und Mitarbeitern.

Das Ergebnis ist faszinierend. "Die Studenten müssen nur zur Einschreibung und später zur mündlichen Prüfung kommen", erzählt Boelmann. An alle Teilnehmer hat er zu Semesterbeginn ein Passwort verteilt. Dadurch erhalten sie Zugriff auf das Seminar, alle Unterlagen und Aufgabenstellungen. Die Zeit kann sich jeder Student selbst einteilen. "Die ersten Teilnehmer waren nach 14 Tagen fertig", berichtet Boelmann.

Dabei ist ein Online-Kursus deutlich anspruchsvoller als ein herkömmlicher "Sitz-Schein", der für bloße Anwesenheit im Hörsaal ausgestellt wird. Die Internet-Seminare fordern permanentes Mitarbeiten. Nach jeder Einheit müssen Aufgaben beantwortet und Diagramme erstellt werden. Ein Beispiel: Bei den Literaturverfilmungen gibt es den Arbeitsauftrag, Thomas Manns "Tod in Venedig" zu lesen. Danach muss jeder zehn Fragen beantworten — als Lese-Nachweis. Wer dabei Fehler macht, kommt nicht zur nächsten Einheit oder muss sich mit den Tutoren in Verbindung setzen: über E-Mail, den Chat der Plattform oder die Internettelefon-Software Skype.

"Klar, unser Seminar ist arbeitsintensiv", sagt Boelmann. Dadurch aber werde die Qualität der Lehre verbessert. Das sehen viele Studenten ebenso positiv. Elisabeth Alt (19) studiert an der Universität Düsseldorf Anglistik. Ganze E-Learning-Seminare kann sie dort nicht belegen, aber Materialien als Ergänzung zu den Kursen abrufen. "Blended Learning" heißt diese Kombination aus Präsenz und E-Learning. "Ich habe dadurch mehr Eigenverantwortung und Autonomie", sagt Elisabeth. Das findet sie gut. Da alle Kursteilnehmer auch über die Plattform kommunizieren, kann sie besser auf Beiträge der Kommilitonen eingehen.

"Blended Learning ist genau das Richtige für die Hochschulen", sagt Ulrik Schroeder (47), wissenschaftlicher Leiter des E-Learning-Zentrums an der RWTH Aachen. Diese Angebote würden immer stärker ausgebaut. Reine Internet-Seminare könnten künftig nur das Präsenz-Angebot bereichern, es aber nie ersetzen. "Wir sind schließlich nicht die Fernuni Hagen", sagt Schroeder.

Seit mehreren Jahren schon bietet er seine Vorlesungen als E-Lectures an — eine weitere erfolgreiche Variante. Während der Veranstaltung setzt Schroeder ein Headset auf und zeichnet die Vorlesung mit seinem Computer auf. Wenige Stunden später stellt er den Vortrag ins Internet, mit Folien und der Möglichkeit, an verschiedene Einsprungpunkte zu spulen. "Das ist eine ideale Prüfungsvorbereitung für Studenten", findet er.

Parallel dazu bieten einige Institute der RWTH neuerdings ihre Vorlesungen kostenlos über die Plattform iTunes an. "Für uns ist das Marketing", sagt Schroeder. Der Betreiber Apple richtete die Möglichkeit 2007 ein. Dadurch kann jeder weltweit einen Eindruck gewinnen, von Elite-Professoren lernen oder sich zu einem ganz bestimmten Thema informieren.

Auch Walter Lewin geht es darum, sein Wissen auf dem Globus zu verbreiten. Er kommuniziert inzwischen mit Studenten aus vielen Ländern. Ulrik Schroeder auch. Und das ist erst der Anfang.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort