"Eine reife, eigenständige Denkleistung" Forscher testen Sprachverständnis von Hunden

Berlin (rpo). Forscher des Max-Planck-Instituts für Anthropologie haben in einer Studie nachgewiesen, dass Hunde die Bedeutung unbekannter Wörter auf dieselbe Weise lernen wie Kleinkinder. Die Ergebnisse der Studie wurden am Donnerstag in Berlin vorgestellt.

"Wo ist der Garfield?" Rico springt auf, schnüffelt an mehreren Puppen und nimmt prompt die richtige in seine Schnauze. Rico ist ein achtjähriger Bordercollie. Er hat über 200 Spielzeuge und kennt sie alle per Namen.

Bereits vor fünf Jahren wurden die Forscher, Julia Fischer und Juliane Kaminski, auf Rico aufmerksam. Damals brillierte der Dortmunder Hund in der Sendung "Wetten, dass...?". Seit drei Jahren führen die Forscher nun Experimente mit dem Hund durch.

Die funktionierten folgendermaßen: Neben bekannte Spielsachen legten sie einen neuen Gegenstand, beispielsweise eine Weihnachtsmann-Puppe. Wenn sie nun fragten "Wo ist der Weihnachtsmann?", holte der Hund die unbekannte Puppe. Folglich habe er kombiniert, dass "Weihnachtsmann" das Wort für das Objekt war, das er bisher noch nicht kannte, erklärt Fischer.

Für Fischer ist das eine "reife, eigenständige Denkleistung", die auf logischen Operationen beruht. Der Collie habe die Hälfte der neu gelernten Namen auch noch nach vier Wochen Pause gekannt. Diese Erfolgsquote entspreche der von dreijährigen Kindern. Ein Unterschied zwischen Mensch und Tier sei jedoch, dass bei Kindern die "Repräsentation eines Wortes reichhaltiger" ist. Kleinkinder gingen mit ihrem erlernten Wissen produktiver um und könnten kausale Zusammenhänge herstellen.

Die Studie belege, dass man nicht unbedingt selber sprechen muss, um Sprache zu verstehen, sagte Fischer. Hunde seien für die Studie besonders gut geeignet, weil sie seit mindestens 15.000 Jahren mit Menschen zusammen lebten. In dieser Zeit hätten sie sich sehr stark angepasst und gelernt, Gesten als Signale zu werten, sagte Kaminski.

Spezielle Ausgangsbedingungen

Die Tatsache, dass Rico einen Menschen verstehen kann, dürfte für Hundebesitzer keine Überraschung sein. Erstmals wurde dies jetzt jedoch wissenschaftlich untermauert. Demnächst soll untersucht werden, ob dieses Ergebnis nur für Rico gilt oder für Hunde allgemein. Darüber hinaus wollen die Forscher mit Rico weitere Experimente durchführen, um zu erkennen, ob er nicht nur einzelne Begriffe, sondern auch Satzgefüge interpretieren kann. Er sei durchaus noch nicht an die Grenzen seines Sprachumfangs geführt worden, er lerne vielmehr immer schneller, sagte Fischer.

Ricos Genie ist vermutlich auf seine speziellen Ausgangsbedingungen zurückzuführen. Der Collie konnte sich wegen einer Verletzung im Alter von zehn Monaten kaum noch bewegen. Seine Besitzerin brachte ihm zum Ausgleich ein Spiel bei, bei dem er auf Zuruf bestimmte Spielsachen suchen musste. Früh geübt, sehr arbeitswillig und als Hütehund beim Apportieren hoch motiviert habe Rico vor anderen Hunden einen erheblichen Vorsprung, sagte Kaminski.

Ricos Wortschatz von gut 200 Bezeichnungen sei mit dem sprachtrainierter Affen, Delfinen und Papageien vergleichbar, erklärten die Anthropologen. Die Studie mit Rico wird in der neuen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins "Science" ausführlich beschrieben.

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