Studentenleben Die Kunst des Tutor-Seins

Von allen älteren Studenten habe ich als kleiner Ersti zwei Mädels ganz besonders bewundert: Meine beiden Tutorinnen. Obwohl die nur zwei Jahre älter waren, schienen sie damals schon unendlich weise. Ihre Aufgabe war nicht mal, uns inhaltlich was beizubringen. Das Tutorat war mehr als eine Weitergabe von Tipps und Tricks rund um das Uni-Leben gedacht. Deshalb konnten sich die beiden Mädels auch oft einfach vor uns stellen und lässig drauflos plaudern. Schon da habe ich mir vorgenommen: Wenn ich mal so groß bin, will ich auch Tutorin werden.

Und jetzt ist es so weit. Beginn des Tutorats: Jeden Mittwoch, 8.15 Uhr. Das ist schon mal schlecht, denn dienstagabends sind klassischerweise Studentenpartys. So wie an allen anderen Abenden zwischen Montag und Freitag auch. Also den Anfang direkt auf 8.30 Uhr verschieben und sich so schon mal einen Pluspunkt einheimsen. Aber irgendwie ist das mit dem einfach drauflos plaudern gar nicht so leicht wie gedacht. Ich beginne zu reden und blicke in die Gesichter, um so etwas wie eine Gefühlsregung zu entdecken.

Nichts, 25-mal Pokerface. Ich versuche einen Witz. Höfliches Lächeln. Ich berichte von meinen eigenen Fehlern in den ersten Semestern, um das Ganze auf eine persönliche Ebene zu bringen. Gähnen in der hinteren Reihe. Das Einzige, was gut kommt: Lästereien über Professoren. Aber zu viel davon langweilt auch. So kriege ich niemals jede Woche meine anderthalb Stunden gefüllt. Also doch keine Plauderei, sondern Inhalte. Ich erkläre was Theoretisches und lass dann ein Gutachten schreiben.

Plötzlich arbeiten viele mit. Die G8-Abiturienten sind echt anders drauf als wir das waren. Aber so wiederhole ich auch nochmal die Grundlagen. Und einmal in diesem Jurastudium komme ich mir auch ganz besonders clever vor. Denn die Erstis scheinen mich trotz meiner ersten missglückten Witze für genauso unendlich weise zu halten wie ich meine Tutorinnen damals.

(RP)
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