Ohne Abschluss Deutschland tut sich schwer mit Schulversagern

Berlin · Runter von acht auf vier Prozent bei jungen Leuten ohne Schulabschluss - so lautete ein Ziel des "Bildungsgipfels" 2008 mit Kanzlerin und Länderchefs. Erreicht werden sollte die halbierte Quote bis 2015. Eine Bestandsaufnahme mitten im Zieljahr.

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Ende Juli haben es - mit Baden-Württemberg und Bayern - es auch die letzten der bundesweit rund elf Millionen Schüler in Deutschland in die Sommerferien geschafft. Doch laut Statistik bleiben wieder einige hunderttausend Jugendliche ohne jeden Abschluss auf der Strecke. Bei deutlich über fünf Prozent lag nach den derzeit aktuellsten Zahlen die Schulversager-Quote. Viel höher, als es die Politik vor sieben Jahren beim Dresdner Spitzentreffen von Kanzlerin Angela Merkel mit den Länder-Ministerpräsidenten eingeplant hatte.

Eine Stagnation statt der 2008 angepeilten Halbierung der Quote von acht auf vier Prozent bis 2015. Besondere Probleme weist die Statistik für den Osten aus, mit Werten zwischen 6,9 (Thüringen) und 9,6 Prozent (Mecklenburg-Vorpommern). Die CDU-Politikerin Brunhild Kurth, derzeit Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), spricht von einer dringenden Frage der Bildungsgerechtigkeit, "aber wir müssen da sehr viel Geduld haben".

Alle 16 Länder hätten sinnvolle Programme entwickelt, etwa mit Berufseinstiegsbegleitern oder Praxisberatern an Schulen und Praktika zum Reinschnuppern in potenziell passende Berufe. "So wollen wir bei diesen jungen Menschen überhaupt erst wieder die Motivation zum Lernen wecken", sagt Kurth, in deren Heimat Sachsen die Quote 2013 freilich auch bei knapp neun Prozent lag.

Förder- und Sonderschulen im Osten weiter verbreitet

Die KMK-Chefin weiß natürlich, dass der hohe Ost-Anteil junger Leute ohne Schulabschluss teilweise systembedingt ist. Der Knackpunkt: Die Förder- oder Sonderschulen, die in den neuen Ländern recht weit verbreitet sind, während im Westen verstärkt versucht wird, Schüler mit Handicaps und "sonderpädagogischem Förderbedarf" in Regelklassen unterzubringen. Etwa drei Viertel der knapp 500.000 Sonderschüler in Deutschland haben am Ende keinen Hauptschulabschluss.

Die KMK-Chefin sagt zwar, dass es die Förderschule als "geschützten Raum" für manche Kinder weiterhin geben müsse - gerade auch wenn sie aus "schwierigen Familien" kommen. Doch Kurth räumt ein: "Es geht darum, die Anzahl der Förderschulen zu senken und diese Schüler dort zu integrieren, wo es Sinn macht. Dann erhöhen wir auch die Zahl der Schüler mit einem Abschluss."

Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) - eine der Lehrergewerkschaften - sieht noch viel Luft nach oben. "Es besteht dringender Nachholbedarf bei der individuellen Förderung in Schulen, damit die hohe Zahl der Jugendlichen ohne Schulabschluss sinkt", sagt VBE-Chef Udo Beckmann. "Es reicht nicht, die individuelle Förderung im Schulgesetz zu verankern, gleichzeitig aber den Schulen die notwendigen Rahmenbedingungen zu versagen." Sonst werde es für die Politik richtig teuer, denn: "Nur mit einem Abschluss haben junge Menschen die Chance, auf dem Arbeitsmarkt zu bestehen."

Fortschritte auf dem Weg zum inklusiven Unterricht

Der renommierte Essener Bildungsforscher Klaus Klemm ist ein Gegner des Sonderschulsystems. Er plädiert im dafür, "dass Kinder und Jugendliche nicht länger in Förderschulen separiert, sondern gemeinsam mit allen Schülern in den allgemeinen Schulen unterrichtet werden, also inklusiv". Seine Begründung: "Wenn ich Kinder in Lernmilieus schicke, in denen es kaum leistungsstärkere Schüler gibt, dann fördere ich sie schlechter. Deswegen ist es gut, dass viele Länder auf dem Weg zum inklusiven Unterricht Fortschritte machen, dass sich etwas bewegt, auch weil Eltern darauf drängen."

Klemm warnt zugleich davor, von Inklusion nun gleich zu viele Wunderdinge zu erwarten. "Eines muss man klar sagen: Schüler, die keinen Schulabschluss erreichen, wird es immer geben, egal, wie gut die pädagogische Arbeit ist." Doch Schulen in Deutschland müssten sich "viel stärker darauf einstellen, dass vor den Lehrern Schüler sitzen, die sich im Lerntempo, in ihren Fähigkeiten und Interessen stark unterscheiden. Unterricht muss individueller werden. Und: Lehrkräfte müssen bei ihrer Arbeit durch Schulsozialarbeiter unterstützt werden".

(dpa)
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