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OECD-Bericht nimmt Bildung ins Visier Deutsches Bildungsniveau ist erschreckend

Berlin · Der neue OECD-Bildungsbericht sieht in Deutschland überdurchschnittlich viele Bildungsabsteiger. Nahezu jeder fünfte bleibt hinter dem Bildungsniveau seiner Eltern zurück. Dabei geht es auch um den grundlegenden Streit, wie viel eine Ausbildung oder ein Studium wert sind.

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Foto: dpa, Angelika Warmuth

In Deutschland erreichen 22 Prozent der jungen Menschen laut dem neuen OECD-Bildungsbericht nicht das Bildungsniveau ihrer Eltern. Umgekehrt schafft nur jeder Fünfte einen höheren Abschluss, als ihn Vater oder Mutter besitzen. Damit steht Deutschland im Vergleich der Industrienationen ganz weit hinten.

In den wichtigen Industrieländern schaffen im Schnitt 37 Prozent der jungen Menschen einen höheren Abschluss als ihre Eltern. Und nur 13 Prozent fallen laut OECD dahinter zurück. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) beruft sich dabei auf international abgestimmte Statistik-Kriterien, an denen auch deutsche Experten beteiligt waren.

Bundesbildungsministerium und Kultusministerkonferenz (KMK) widersprachen bei der Vorstellung des Berichts am Dienstag vehement. Sie berufen sich auf eine eigene nationale Erhebung. Demnach liegt die Zahl der Bildungsabsteiger deutlich niedriger: In Westdeutschland bei 12,5, in Ostdeutschland bei 15,6 Prozent. Hintergrund ist ein alter Streit um den Stellenwert betrieblicher Bildungsabschlüsse.

Wie viel ist eine Ausbildung wert?

Bundes-Bildungsstaatssekretärin Cornelia Quennet-Thielen sagte, wenn ein Akademikerkind in Deutschland eine betriebliche Lehre mache, sei dies aus ihrer Sicht kein Bildungsabstieg. Die Frage der großen Gehaltsunterschiede zwischen Akademikern und beruflich Ausgebildeten sei Sache der Wirtschaft, sagte Niedersachsens Kultusministerin Johanna Wanka (CDU).

Allerdings konnten sich Bund und Länder Anfang des Jahres auch nicht darüber verständigen, wie der Wert einer betrieblichen Lehre im Verhältnis zum Abitur im neuen Europäischen Qualifikationsrahmen auszuweisen ist.

Bei der Steigerung der Studentenzahl bescheinigt die OECD Deutschland "moderate Fortschritte". So würden etwa 42 Prozent im Verlauf ihres Lebens ein Studium an einer Universität oder Fachhochschule (FH) aufnehmen. 1995 waren dies erst 26 Prozent. Im Schnitt der anderen Industrienationen stieg die Studienanfänger-Quote allerdings im gleichen Zeitraum von 37 auf 62 Prozent. 30 Prozent eines Jahrganges erwerben inzwischen in Deutschland einen Uni- oder FH-Abschluss (OECD: 39 Prozent).

OECD-Bildungsdirektorin Barbara Ischinger wies Vorwürfe von deutscher Seite zurück, ihre Organisation missachte den Stellenwert der beruflichen Ausbildung. Ischinger verwies auf den Trend in allen Industrienationen zu immer höherer Qualifikation, vor allem in technischen und naturwissenschaftlichen Berufen. Dass derzeit in Spanien so viele junge Akademiker arbeitslos seien, liege nicht an ihrer Ausbildung, sondern an der Wirtschaftsstruktur des Landes.

Vorbild bei Arbeitslosigkeit

Deutschland ist laut Bericht das einzige OECD-Land, in dem zwischen 2008 und 2010 die Arbeitslosigkeit über alle Bildungsgruppen hinweg abgenommen hat. Unter den Akademikern sank sie von 3,3 auf 3,1 Prozent, während sie weltweit von 3,3 auf 4,7 Prozent stieg. Unter den Erwachsenen mit Sekundar-II-Abschluss (Abitur beziehungsweise Lehre) ging in Deutschland die Arbeitslosigkeit von 7,2 auf 6,9 Prozent zurück (OECD: Anstieg von 4,9 auf 7,6).

Auch ist in Deutschland trotz der Krisenjahre die Ausbildungs- und Beschäftigungssituation für Jüngere weitgehend stabil geblieben. Der Anteil der 15- bis 29-Jährigen, die sich weder in Beschäftigung noch in einer Weiterbildungsmaßnahme befinden, liegt mit 12 Prozent deutlich unter dem OECD-Schnitt von 15,8 Prozent. Gleichwohl beläuft sich die absolute Zahl dieser sogenannten jungen Bildungsverlierer in Deutschland immerhin auf knapp 1,7 Millionen.

Beim Gesamtbildungsniveau dürfte Deutschland aus Sicht der OECD-Experten im internationalen Vergleich in den kommenden Jahren weiter zurückfallen. Grund dafür sei, dass andere Nationen ihr Hochschulsystem bereits früher und deutlich schneller ausgebaut haben.

Laut Bericht gehört Deutschland zu den wenigen Ländern, in denen der Akademikeranteil unter den 25- bis 34-Jährigen mit 26 Prozent heute fast identisch ist mit dem in der Altersgruppe der 55- bis 64-Jährigen (25 Prozent). OECD-weit ist dagegen in diesen Altersgruppen die Akademikerquote von 23 auf 38 Prozent angestiegen.

Die Finanzkrise hat bislang laut Bericht in den meisten Industrienationen nicht zu drastischen Einschnitten bei den Bildungsinvestitionen geführt. In Deutschland wenden Staat, Wirtschaft und Privatpersonen 5,3 Prozent des Brutto-Inlandsproduktes (BIP) für Bildung auf. Dies ist allerdings weiterhin weniger als im OECD-Schnitt (6,2 Prozent).

(dpa)
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