Interview Ulrich Müller Darum sind private Hochschulen gefragt

Eine Wachstumsrate von 233 Prozent konnten in den vergangenen zehn Jahren die privaten Hochschulen in Deutschland verzeichnen. Ulrich Müller, Leiter politische Analysen beim Centrum für Hochschulentwicklung (CHE), hat in einer Studie nach den Erfolgsfaktoren gesucht.

Düsseldorf An einer privaten Hochschule studieren und dafür eine Menge Geld bezahlen - das ist in Amerika oder Großbritannien ganz normal. In Deutschland aber war es noch vor zwanzig Jahren die absolute Ausnahme. Seit einigen Jahren befinden sich die privaten Hochschulen aber auf einem rapiden Wachstumskurs. Worauf dieser beruht, erklärt Ulrich Müller vom CHE.

Herr Müller, warum boomen die privaten Hochschulen trotz der Studiengebühren?

Müller In Deutschland gibt es keine Tradition dafür, für Bildung zu bezahlen. Dennoch sind die Studierendenzahlen an privaten Hochschulen in den vergangenen zehn Jahren um 233 Prozent gestiegen. Damit sind die privaten Hochschulen deutlich am Akademiker-Boom beteiligt. Sie sind nicht etwas für eine reiche Elite - sondern richten sich gezielt auch an nicht-klassische Studenten.

Wie ist das gemeint?

Müller Lange Zeit war der typische Student kinderlos, 19-24 Jahre alt, hatte Abitur und absolvierte ein Vollzeit-Präsenz-Studium. Über diese klassische Biografie verfügen aber immer weniger Studenten, besonders an privaten Fachhochschulen. Dort studiert der Handwerksmeister in Teilzeit BWL, die alleinerziehende Mutter im Fernstudium oder eine technische Zeichnerin mit sieben Jahren Berufserfahrung, aber ohne Abitur. Diese ungewöhnlichen Biografien werden an privaten Hochschulen besonders unterstützt. Ihnen ist nicht so wichtig, was jemand vorher gemacht hat, sondern wo er hin möchte. Solche Biografien stellen die staatlichen Hochschulen dagegen noch vor große Herausforderungen.

Was sind also die großen Stärken der privaten Hochschulen?

Müller Zum einen natürlich Flexibilität was die Studienformate betrifft. Erfolgreiche private Hochschulen achten darauf, was die Studenten brauchen. Teilzeitangebote, Seminare am Abend und Online-Kurse sind weit verbreitet. Knapp zwölf Prozent der Studierenden an privaten Hochschulen studieren in Teilzeit - an staatlichen Unis sind es nur drei Prozent. Da zeigt sich eine durchgehende Grundeinstellung. Studierende sind sensibel dafür, ob sie als Belastung für die Hochschulbeschäftigten empfunden oder mit offenen Armen empfangen werden.

Was trägt noch zu diesem Empfinden bei?

Müller Erfolgreiche private Hochschulen übernehmen Verantwortung für ihre Studierenden und betreuen sie eng. So gibt es beispielsweise an vielen Hochschulen so genannte Studierendenbetreuer, die als Ansprechpartner für alle Fragen da sind und den Studierenden kontinuierlich mit Rat und Tat zur Seite stehen. Natürlich sind die privaten Hochschulen mit durchschnittlich 1500 Studierenden deutlich kleiner als die staatlichen. Auch daher können sie ganz anders auf den Einzelnen eingehen. Gleichzeitig wissen private Hochschulen die Stärken ihres besonderen Klientels zu schätzen: Untypische Studierende bringen meist eine sehr hohe Motivation und Lernbereitschaft mit, sie identifizieren sich sehr stark mit der jeweiligen Einrichtung.

Wie überzeugen private Hochschulen Studenten noch von sich?

Müller Sie sind marktorientiert, bieten oft innovative Studiengänge in Nischen und setzen neue Trends. So hat der Akademisierungstrend im Gesundheitswesen durch Angebote an privaten Hochschulen Fahrt aufgenommen. Die Studiengänge bilden auf ein konkretes Berufsbild hin aus. Sie sind praxisorientiert, die Inhalte sind im Beruf verwertbar. Die privaten Hochschulen sehen die Studenten - anders als viele staatliche Universitäten - nicht nur als wissenschaftlichen Nachwuchs. Sie haben einen starken Praxisbezug und arbeiten oft eng mit Unternehmen zusammen. Diese fünf Faktoren, Markt-, Praxis-, Ziel- Studierenden- und Bedarfsorientierung, machen für uns den Erfolg der privaten Hochschulen aus.

Wer sind denn eigentlich die Professoren an privaten Hochschulen?

Müller Die privaten Hochschulen müssen sich oft die Unterstellung anhören, ihre Qualität sei nicht so hoch wie die einer staatlichen Hochschule. Tatsächlich müssen sie aber auf Studiengangsebene dieselben Akkreditierungsanforderungen erfüllen. Und als Institution werden sie - im Gegensatz zu staatlichen Hochschulen - zusätzlich regelmäßig durch den Wissenschaftsrat streng durchleuchtet. Die Lehrenden müssen ebenso Promotion, Forschungs- und Berufserfahrung mitbringen wie an staatlichen Hochschulen.

Können sich die staatlichen Hochschulen etwas von den privaten abschauen?

Müller Sie sollten sich in Zukunft ebenfalls stärker an den Bedürfnissen der atypischen Studieninteressierten orientieren. In den kommenden Jahren wird es immer weniger traditionelle Studenten geben. Die staatlichen Hochschulen sind also gut beraten, sich in ihrem Angebot neuen Zielgruppen weiter zu öffnen. Dass die Hochschulrektorenkonferenz im November beschlossen hat, ein Teilzeitstudium sei eine zeitgemäße Studienform, keine Notlösung, ist ein Schritt in diese Richtung.

(RP)
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