Köln Bewerbungsmappe für Platz in der WG

Köln · Zum Semesteranfang sind Wohnungen und WG-Zimmer knapp. Schuld sind hohe Mieten und zu viele Interessenten.

Für Merle Lambert ist alles besser als zu pendeln. Die 19-Jährige hat vor knapp zwei Wochen ihr Studium an der Technischen Hochschule Köln aufgenommen und sucht noch immer nach einer Bleibe. Derzeit wohnt sie zur Untermiete in einem WG-Zimmer in der Domstadt. Eine Dauerlösung ist das jedoch nicht. Findet die Studentin in der nächsten Woche nichts anderes, muss sie zurück zu ihren Eltern an die niederländische Grenze nach Goch ziehen. Und das würde bedeuten: Fast fünf Stunden ihres Tages gehen fürs Bahnfahren drauf.

Etliche Studenten schlagen sich im ersten Semester nicht nur mit dem Studienfach, den hohen Anforderungen der Professoren und einer völlig neuen Lebenssituation herum. Sie sind auch immer noch auf der Suche nach einer Unterkunft. An überhöhten Ansprüchen scheitert das in der Regel nicht: "Ich suche etwas, das nicht zu weit von der Uni weg ist und das ich mir leisten kann", sagt Merle Lambert. "Klar, dass das keine Luxuswohnung ist."

In vielen Universitätsstädten ist der Wohnraum knapp, so etwa in Kleve am Niederrhein, berichtet der Immobilienmakler Richard Lukassen. "Der Markt ist auf die hohe Nachfrage nicht eingestellt", sagt er. "Wenn dann am Semesteranfang alle gleichzeitig kommen, wird es eng." Gerade ausländische Studenten trifft es hart: Ergattern sie erst im Nachrückverfahren einen Platz an einer deutschen Uni, bleibt ihnen wenig Zeit, bis die Vorlesungen losgehen. Pendeln fällt für sie flach.

Auch an der Universität Duisburg-Essen sind die Studentenwohnheime voll. Alle 2450 Plätze sind belegt. Sprecherin Petra Karst berichtet von einer täglich wachsenden Warteliste. Mehr als 300 Erstsemester haben bislang ihren Namen draufgesetzt. Wenn nichts mehr geht, verweist sie auf Jugendherbergen. "Aber davon werden einige derzeit für Flüchtlinge genutzt", sagt Karst.

Auch in Münster, wo die Wohnsituation mit mehr als 40.000 Studenten als angespannt gilt, gehen den jungen Wohnungssuchenden wegen der steigenden Flüchtlingszahl die Möglichkeiten aus. Einige wenige beispielsweise waren im alten Finanzamt als Hauswächter untergekommen. Damit das Gebäude nicht leer stand, konnten sie dort kostengünstig wohnen. Derzeit ziehen die knapp 20 Bewohner aus. Ab Mitte November werden in dem Gebäude Flüchtlinge untergebracht.

Erschwert wird die Suche der Studenten in manchen Städten durch hohe Mietpreise. Während sie laut einer Erhebung des Immobilienportals Immowelt.de in Gelsenkirchen als günstigste Stadt nur 5,20 Euro pro Quadratmeter zahlen müssten, reicht die Spannweite über 10,70 Euro in Bonn, zwölf Euro in Köln und 14 Euro in Ingolstadt bis 18,70 Euro in München. Düsseldorf rangiert mit 10,20 Euro im Mittelfeld. Dort versucht Johanna Mokrusch eine Wohnung zu finden.

Die 28-Jährige hat bereits in Dresden und Gießen studiert und damit die Gegensätze des Wohnungsmarktes kennengelernt. In Dresden konnte sie zwischen sieben Wohnungen wählen. "Alle standen leer und waren sofort bezugsfertig", sagt sie. Für eine sanierte, 50 Quadratmeter große Altbauwohnung zahlte sie schließlich 350 Euro warm. In Gießen fand sie mitten im Semester eine WG. Kosten: 370 Euro warm für 19 Quadratmeter. Die Studentin kennt auch die andere Seite: "Wenn wir einen neuen Mitbewohner gesucht haben, mussten wir nach ein paar Stunden unsere Handys ausschalten, weil so viele Anfragen kamen", erinnert sie sich.

Von der Situation in Düsseldorf ist Johanna Mokrusch überrascht. "Manchmal habe ich das Gefühl, ich bewerbe mich auf einen Job." Neben der Schufa-Auskunft, die meist nicht älter als sechs Wochen sein darf, verlangen die Vermieter einen Gehaltsnachweis, eine Bürgschaft und ebenfalls eine Schufa-Auskunft der Eltern sowie eine Einkommenssteuerabrechnung des Vaters, der selbstständig ist. "Manche wollen sogar ein Leumundszeugnis des bisherigen Vermieters haben", berichtet die Studentin. "Und wenn man die Mappe zusammenhat, erwarten einen bei Massenbesichtigungen etwa 30 Mitbewerber."

Die Wuppertalerin Sabrina Reher wollte sich den Stress nicht machen. Als sie einen Studienplatz in Kleve bekam, engagierte sie einen Immobilienmakler. 450 Euro zahlt sie nun für eine fast 40 Quadratmeter große Wohnung mit Einbauküche und Balkon. "Das ist es mir wert", sagt die 18-Jährige. "Hier habe ich meine Ruhe und mehr Platz als in einer WG." Sie gehört zu den Glücklichen, deren Eltern sie unterstützen. "Sonst wäre das nicht möglich."

(RP)
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