Bologna-Prozess Baustellen der Uni-Reform

Düsseldorf (RP). Vor zehn Jahren beschlossen 29 Bildungsminister im italienischen Bologna die Umstellung der Studiengänge auf Bachelor und Master. In Deutschland ist der Prozess nun zu drei Vierteln vollzogen, die Ziele sind aber noch lange nicht erreicht. Ein Blick auf den Verbesserungsbedarf.

 Die Umstellung auf Bachelor und Master ist in Deutschland zu drei Vierteln vollzogen.

Die Umstellung auf Bachelor und Master ist in Deutschland zu drei Vierteln vollzogen.

Foto: picture-alliance/ tmn

Sie ist die größte Hochschul-Reform seit Jahrzehnten und eine der gewaltigsten, die Europa je erlebt hat: die Bologna-Reform. Zehn Jahre nach ihrem Start ist Studieren in Deutschland nicht mehr das gleiche wie zuvor. Hochschüler sammeln nun Leistungspunkte (Credit Points) und besuchen Veranstaltungen, die Modulen zugeordnet sind und einen bestimmten Arbeitsumfang erfordern (Workload). Mehr Klausuren und Hausarbeiten werden geschrieben, mehr Noten verteilt, die Anwesenheit kontrolliert und Stundenpläne vorgeschrieben.

Unumstritten war dieser Weg nie, und abgeschlossen ist er noch lange nicht. Das Ziel im Jahr 1999 lautete: Bis 2010 müssen alle Studiengänge in Europa auf Bachelor und Master umgestellt sein. Ein Jahr vor der Zielmarke sind in Deutschland 76 Prozent der Studiengänge angepasst. Um die nächsten Schritte bis 2020 zu beschließen, trafen sich die Wissenschaftsminister erneut — dieses Mal im belgischen Leuven. Ein Überblick über die Baustellen der Reform.

Mobilität Die Bologna-Reform sollte Studierende beweglicher machen und sie zu Auslandsaufenthalten motivieren. Das Gegenteil ist derzeit der Fall. Die Mobilität hat in den vergangenen zehn Jahren abgenommen. Knapp fünf Prozent aller Studenten verbringen derzeit einen Teil ihres Studiums im Ausland. Mit Praktika und Sprachkursen liegt die Quote bei 23 Prozent.

In Leuven beschlossen die Minister, dass im Jahr 2020 mindestens 20 Prozent aller europäischen Studenten ein oder mehrere Semester im Ausland verbringen sollen. Wie — das ließen sie offen. Margret Wintermantel, Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz, fordert, dass Deutschland beim Auslands-Bafög nachbessert, ebenso bei der Anerkennung von Studienleistungen im Ausland und der Altersversorgung mobiler Wissenschaftler.

Übergang Bachelor/Master Die Bologna-Reform hat den dreijährigen Bachelor zum Regelabschluss erklärt. Entsprechende Kapazitäten wurden und werden an den Hochschulen geschaffen. Bislang gibt es jedoch keine einheitliche Regelung, wie viel Prozent eines Jahrgangs ein Masterstudium anschließen können. Die Uni Köln rechnet derzeit mit 50 Prozent, die Uni Hamburg mit 80 Prozent und die TU München mit 100 Prozent. Wie groß das Interesse der Studierenden tatsächlich ist, wurde noch nicht ermessen. Umfragen zeigen jedoch, dass bis zu vier Fünftel einen Master anstreben. Kritiker fürchten eine soziale Selektion, wenn diejenigen, die keinen kostenfreien Platz bekommen, an Privathochschulen ausweichen müssen.

Studienabbrecher Die Reform hatte das Ziel, durch Verschulung die Zahl der Studienabbrecher zu reduzieren. Tatsächlich aber brechen derzeit rund 30 Prozent der Bachelor-Studenten ihr Studium ab. Vor allem in den Ingenieur- und Naturwissenschaften sind die Lehrpläne überfrachtet. Zum einen, weil Professoren viel Stoff aus den alten Studiengängen retten wollen. Zum anderen, weil der dreijährige Bachelor in Europa mit dem vierjährigen in den USA konkurrieren soll.

"Breite und Tiefe der Studieninhalte sind nicht unproblematisch", gesteht Sachsen-Anhalts Kultusminister Jan-Henrik Olbertz. Es müsse nachgebessert werden. Zumal die ersten schon wieder ausscheren. Die TU München versieht ihre Urkunden für den "Master of Science in Engineering" mit dem Zusatz: "äquivalent Diplom-Ingenieur". Dieses Markenzeichen, das sich auch im Ausland etabliert habe, wolle man sich nicht nehmen lassen, sagt ein Sprecher.

(RP)
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